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Flusskrebse: Roman (German Edition)

Flusskrebse: Roman (German Edition)

Titel: Flusskrebse: Roman (German Edition)
Autoren: Martin Auer
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doch Heime für Asylwerber, nicht? Haben Sie um Asyl angesucht? Haben Sie Papiere?“
    Der junge Mann kramte eine weiße Karte aus seinem Rucksack und hielt sie ihm hin. „Ich habe Asyl beantragt. Ich war im Flüchtlingslager. Dann bin ich in eine Pension geschickt worden in einem Dorf. Aber ich konnte dort nicht bleiben. Ich konnte dort nichts machen. Ich wollte Deutsch lernen, mich weiterbilden in meinem Beruf, eine Arbeit finden. Aber dort war nichts, es gab keine Möglichkeit etwas zu lernen. Darum bin ich nach Wien gegangen. Dort unten habe ich ein bisschen Geld bekommen, aber hier nicht. Um Geld zu bekommen, hätte ich dort bleiben müssen, das sind die Vorschriften, aber ich habe es nicht ertragen. Mein Kopf ist ganz leer geworden ohne Beschäftigung, ohne etwas zu tun.“
    „Aber wie kommen sie gerade hierher, in dieses Haus?“
    „Ich habe einen Freund, der Werbung austrägt. Er hat mir gesagt, dass dieses Haus leersteht.“
    „Ach ja?“ sagte der letzte Mieter. Er starrte den jungen Mann ratlos an.
    Der junge Mann machte Anstalten aufzustehen. „Bitte, ich werde jetzt gehen. Ich werde woanders hingehen. Ich werde Sie hier nicht stören.“
    „Ja, sehen Sie, das Haus steht nämlich nicht leer“, sagte der Mieter entschuldigend. „Ich wohne hier noch.“ Sobald er das gesagt hatte, ging ihm durch den Kopf, dass es vielleicht keine gute Idee gewesen war zu erzählen, dass er hier ganz alleine war. Gleich darauf empfand er ein leichtes Schamgefühl. Er wollte sich nicht als einer von denen sehen, die in jedem Fremden einen potentiellen Verbrecher vermuteten. Aber war es nicht einfach vernünftig, Vorsicht walten zu lassen?
    Der junge Mann hatte sich aus seiner Decke herausgeschält. Er hockte da und versuchte, aus der aufgerissenen Papiertüte wieder ein brauchbares Päckchen für sein Essen zu machen.
    Der Mieter hatte das Gefühl, etwas gut machen zu müssen: „Nein, nein, wenn Sie krank sind... Haben Sie überhaupt Medikamente?“
    Der junge Mann schüttelte den Kopf: „Nein, aber das macht nichts. Machen Sie sich keine Sorgen!“
    „Ich kann Ihnen... Warten Sie, ich bringe Ihnen ein paar Aspirin. Warten Sie auf mich, ja? Ich bin gleich wieder da.“ Er hastete die Stufen hinauf, sperrte auf, stellte seine Aktentasche ab und ging ins Bad, nach Aspirin suchen. Als er sie gefunden hatte, füllte er in der Küche ein Glas mit Wasser. Er steckte die Tabletten in die Hosentasche, trug das Glas hinaus, stellte es vor der Tür auf den Boden und sperrte ab. Dann ging er mit dem Glas hinunter. „Es sind welche mit Vitamin C“, rief er schon in dem ehemaligen Vorraum, „man muss sie in Wasser auflösen.“
    Der Fremde war fort.
    „Hallo?“ rief der Mieter. Er ging ins Treppenhaus und rief wieder: „Hallo? Monsieur?“ Er bekam keine Antwort.
    Zurück in seiner Wohnung machte er sich Tee und setzte sich vor den Computer. Er öffnete eine Datei, blätterte darin herum, suchte den Punkt, an dem er weiterarbeiten wollte. Mehr als einmal merkte er, dass seine Augen über die Zeilen glitten, ohne dass er den Inhalt erfasste. Stattdessen spielte er im Geist immer wieder das Erlebnis in der verlassenen Wohnung durch. Der Flüchtling war vor ihm geflohen. Er hatte dem jungen Mann Hilfe angeboten, doch der wollte sie nicht annehmen, Er hatte ihm nicht getraut. Hatte er etwas falsch gemacht? Aber was hätte er tun sollen? Er schüttelte ein leises und vollkommen unbegründetes Schuldgefühl mit einem Schulterzucken ab. Er hatte schließlich nicht ein kleines Kind in die kalte Winternacht hinausgestoßen. Er zwang sich, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren.
    Später, nachdem er sich Abendessen gekocht hatte, rief er seine Freundin an. Er legte das Handy neben seinen Teller und schaltete den Lautsprecher ein. So konnte er sich mit ihr utnerhalten, während er aß. Er fragte sie immer zuerst nach ihrem Tag, bevor er von seinem erzählte. „Und, was gibt’s Neues bei dir?“ fragte sie schließlich und er berichtete ihr von seiner Begegnung. „Du solltest wirklich schauen, dass ein Schloss an die Tür kommt“, meinte sie. „Es können ja noch ganz andere Typen da reinkommen.“
    „Weißt du, wie oft ich schon die Hausverwaltung angerufen habe!“ sagte er, und gestand sich ein, dass er es genau zweimal getan hatte. „Ich sollte vielleicht selber einen Schlosser kommen lassen. Aber der darf das wahrscheinlich gar nicht machen ohne Auftrag von der Hausverwaltung.“
     
    Als er am Morgen zur Arbeit ging,
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