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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht
Autoren: Dean R. Koontz
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»Sie machen mir angst.« »So eine Hübsche.« Er kam einen Schritt auf sie zu.
    Jetzt wußte sie, wußte ganz genau, ohne jeden Zweifel, was er wollte. Doch es schien einfach absurd, verrückt, undenkbar. Warum sollte ein wohlhabender Mann wie er, ein Mann in seiner gesellschaftlichen Position hunderte von Meilen weit reisen und sein Vermögen, seinen Ruf und seine Freiheit riskieren, und das alles für einen kurzen Augenblick, für Sex, erzwungenen Sex?
    Er tat einen weiteren Schritt auf sie zu. Sie zog sich zurück.
    Vergewaltigung. Das gab einfach keinen Sinn. Es sei denn er hatte vor, sie nachher zu töten, dann würde er überhaupt kein Risiko eingehen. Er trug Handschuhe. Er würde keine Spuren hinterlassen, keinerlei Anhaltspunkte. Niemand käme auf die Idee, daß ein prominenter, angesehener Weingutbesitzer aus St. Helena nach Los Angeles führe, nur um eine junge Frau zu vergewaltigen und zu ermorden. Und selbst wenn jemand das annähme, so gäbe es keinerlei Hinweise, ausgerechnet an ihn zu denken. Die Fahnder würden nie auf seine Person kommen.
    Er schob sich noch immer auf sie zu. Langsam. Unbarmherzig. Schweren Schrittes. Genoß die Spannung. Und sein Grinsen wurde breiter, als er die wachsende Erkenntnis in ihren Augen sah.
    Sie wand sich rückwärts an dem mächtigen gemauerten Kamin vorbei, überlegte einen Augenblick lang, ein Teil des schweren Messingkaminbesteckes zu packen, erkannte dann aber, daß sie wohl nicht schnell genug wäre, um sich damit verteidigen zu können. Dieser kräftige, athletisch gebaute Mann mit hervorragender Kondition würde sie überwältigt haben, noch ehe sie die Feuerzange packen und nach seinem verdammten dicken Schädel schlagen könnte. Er ließ seine großen Hände spielen. Man konnte erkennen, wie die Knöchel das enganliegende Leder spannten. Sie bewegte sich immer noch rückwärts, an einer Möbelgruppe vorbei – zwei Sessel, ein niedriger Tisch, ein langes Sofa. Sie schob sich nach rechts, versuchte, das Sofa zwischen sich und Frye zu bringen. »So hübsches Haar«, sagte er.
    Sie fragte sich einen Moment, ob sie etwa im Begriff stand, den Verstand zu verlieren. Dies konnte doch nicht der Bruno Frye sein, den sie in St. Helena kennengelernt hatte. Damals konnte sie nicht die leiseste Andeutung jenes Wahnsinns erkennen, der jetzt sein breites, mit öligem Schweiß bedecktes Gesicht verzerrte. Seine Augen wirkten wie blaugraue Eissplitter, die kalte Leidenschaft, die jetzt aus ihnen funkelte, war derart ungeheuerlich, daß sie ihr bei der letzten Begegnung hätte auffallen müssen.
    Plötzlich sah sie das Messer; dieser Augenblick wirkte wie ein Gluthauch aus einem heißen Ofen, verwandelte ihre Zweifel in Dampf und blies sie einfach weg. Er hatte vor, sie zu töten.
    Das Messer trug er am Gürtel, oberhalb der rechten Hüfte. Es steckte in einer offenen Scheide; er konnte es blitzschnell herausholen, indem er einfach die Metallschließe am schmalen Lederriemen hochklappte. Keine Sekunde würde es dauern, bis die Klinge aus der Scheide glitt und sich in seiner Faust befände; zwei Sekunden später würde sie sich in ihren weichen Bauch bohren, ihr warmes Fleisch aufschlitzen, und ihr Blut würde verströmen.
    »Ich hab dich gewollt, seit ich dich das erste Mal sah«, sagte Frye. »Ich wollte einfach an dich 'ran.« Die Zeit schien plötzlich für sie stillzustehen. »Es wird riesigen Spaß mit dir machen«, sagte er. »Riesigen.«
     
    Ganz unvermittelt verwandelte sich die Welt in einen Film, der im Zeitlupentempo ablief. Jede Sekunde erschien ihr wie eine Minute. Sie sah zu, wie er näher kam, so, als wäre er ein Geschöpf aus einem Alptraum in einer Atmosphäre, so dick wie Sirup.
    In dem Augenblick, da sie das Messer entdeckte, erstarrte Hilary zu Eis. Sie hörte auf, sich zurückzuziehen, obwohl er immer näherrückte. Ein Messer kann so etwas bewirken; es raubt einem den Atem, bringt das Herz zum Stillstand, erzeugt jenes unkontrollierbare Zittern. Erstaunlicherweise können nur ganz wenige Menschen ein Messer gegen ein anderes Lebewesen richten. Mehr als jede andere Waffe macht ein Messer deutlich, wie zart Fleisch wirklich und wie schrecklich zerbrechlich menschliches Leben ist; in dem Schaden, den er anrichtet, kann der Angreifer nur allzu deutlich seine eigene Sterblichkeit erkennen. Eine Pistole, ein paar Tropfen Gift, eine Feuerbombe, ein stumpfer Gegenstand, die Schlinge des Würgers – all dies läßt sich relativ sauber einsetzen und zum
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