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Flüsterherz

Flüsterherz

Titel: Flüsterherz
Autoren: Debora Zachariasse
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suche, um über Tibby schreiben zu können. Und über Eileen
.
    Warum lief Tibby damals so plötzlich weg, als Eileen mir von Friso erzählte?
    Ich spüre, wie Tränen aufsteigen. Tränen voller Schuld und anderen bedrückenden Gefühlen, die ich nicht fühlen will. Ich hole tief Luft und seufze sie weg, die Tränen
.
    Tibby war nun einmal anders – völlig anders als Eileen. Bei ihr erlebte man eine Überraschung nach der anderen. Sie hatte eine coole, supernette Mutter. Und dann dieser wild wuchernde Garten voller Leben und die gemütliche Wohnküche. All das faszinierte mich
.
    Aber es war auch kompliziert
.
    Tibby lief damals weg, weil ich mit Eileen herumtuschelte. Das wird mir erst jetzt richtig klar
.
    Sie war kompliziert
.
    Eileen nicht. Bei Eileen weiß man immer, woran man ist. Mit ihr kann ich über Jungs und neue Nagellackfarben quatschen, über Violas schräge Frisur ablästern oder über irgendwelche Realityshows im Fernsehen reden. Wir tauschen Klingeltöneaus und ziehen über die Lehrer her. Nichts Weltbewegendes, aber es macht Spaß
.
    Sie und Tibby kann man unmöglich miteinander vergleichen
.
    Eileen ist einfach da und wie immer
.
    Und Tibby habe ich verloren. Für immer
.
    Wieder steigen Tränen auf, und zugleich überfällt mich ein seltsames Gefühl, so heftig und beklemmend, dass ich Angst bekomme. Wenn ich es mir nur von der Seele schreiben könnte! Dann ginge es mir bestimmt besser
.
    Mein Stift schwebt über den leeren Seiten. Ich weiß einfach nicht, wie ich es ausdrücken soll
.
    Da fällt mein Blick auf den Schatten. Auf der linken Seite tanzen die Silhouetten der Birkenblätter, ein ständiges Wechselspiel von Hell und Dunkel
.
    Ja, denke ich, so war Tibby
.
    Die rechte Buchseite ist makellos weiß, sie strahlt hell und blendet mich fast ein wenig. So ist Eileen
.
    Was ich sagen will, steht längst da, dafür braucht es keine Worte. Links Tibby: spannend, wechselhaft, eigenwillig. Rechts Eileen: klar, übersichtlich, berechenbar
.
    Und plötzlich weiß ich, warum ich mich damals, bei der großen Hitzewelle, von Tibby mitreißen ließ
.

Im Tiefen
    Die Temperaturen waren auf über dreißig Grad gestiegen, unerträglich heiß für Juni. In der Schule war es ohne Klimaanlage kaum auszuhalten. Alle hatten Wasserflaschen neben sich auf dem Tisch stehen und die Lehrer flippten bei der kleinsten Kleinigkeit aus. Naja, wahrscheinlich war ich auch nicht gerade gut drauf, denn binnen einer einzigen Woche wurde ich drei Mal aus dem Klassenzimmer geschickt.
    JP, unser sonst so gelassener Rektor, hielt mir eine Standpauke: »Ständig kommen Beschwerden über dich, Anna. Du hast zwar gute Noten, passt aber im Unterricht überhaupt nicht mehr auf. Wie ich höre, beschäftigst du dich lieber mit deinen Wimpern.«
    Also hatte Frau Driessen es doch gesehen! Ich hatte das Gefühl, als kräuselten sich meine Wimpern vor Scham.
    »Das muss aufhören.« JP sah mich über den Rand seiner Brille hinweg streng an. »Wenn du dich von nun an nicht amRiemen reißt, dann wird das Konsequenzen haben. Verstanden?«
    »Ja, Herr van Dijk.«
    Ab jetzt musste ich aufpassen, so viel war klar.
    Tibby konnte als Einzige nicht genug von der Sonne kriegen. »Ach, ist das herrlich warm«, seufzte sie genüsslich.
    Der Eismann war unsere Rettung. In den Pausen standen alle vor seinem Wagen Schlange.
    Ich lief los und fragte Tibby über die Schulter, welche Sorte sie wolle. Vanille, logisch. Tarik bekam es mit.
    »Na, so was, du spendierst mir ein Eis«, sagte er. »Ist ja riesig nett.«
    Typisch Tarik. Immer eine große Klappe.
    Ich wollte ihm schon eine passende Antwort geben, da fiel mein Blick auf Tibby.
    »Hallo, Tarik«, sagte sie.
    Sah ich richtig? Auf jeden Fall. Sie lachte strahlend und süß und leicht verlegen und einfach umwerfend. Alles an ihr schien auf einmal zu leuchten, sogar ihr Haar.
    Und Tarik?
    Dasselbe! Er grinste übers ganze Gesicht.
    Ich musste unbedingt wissen, wie das mit den beiden weiterging, und kaufte kurzerhand drei Eis.
    »Was sehen meine Augen?«, sagte Tarik. »Die schöne Tibs kann lachen. Das steht dir, Tibsie-bibsie. Musst du öfter machen. Komm, tanz ’ne Runde mit mir!«
    Hüftenwackelnd tänzelte er vor Tibby herum, die an ihrem Eis leckte und lachte. Sie sah unwiderstehlich sexy aus.
    »Ach ja, ich seh schon, das Eis geht vor«, sagte Tarik. »Du verpasst was, Tibby. Nimmst du immer Vanille?«
    »Ja, immer«, sagte Tibby. »Erdbeer und Schoko sind VW.«
    Tarik streckte die Zunge heraus
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