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Flucht aus Oxford

Titel: Flucht aus Oxford
Autoren: Veronica Stallwood
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umgekehrt, mit dem Schirm nach hinten. Nein, doch lieber nicht. Es sah aus, als wolle er – er korrigierte sich –, es sah aus, als würde er es darauf anlegen, mit den Leuten von der Straße zu fraternisieren. Er entschied sich für die Jacke und keine Kopfbedeckung, in der Hoffnung, dass niemand die Stelle am Hinterkopf bemerkte, wo sein Haar langsam schütter wurde. Mittelklasse war schon schlimm genug, doch auf keinen Fall wollte er aussehen wie ein Mann mittleren Alters.
    Es hat heutzutage keinen Sinn, darauf zu warten, dass die Gemeinde zum Pfarrer kommt, dachte er, während er das Geld in seiner Gesäßtasche überprüfte. Wer wollte schon den Sonntagmorgen in einer zugigen, alten Kirche verbringen, wenn er zur gleichen Zeit sein Auto auf Vordermann bringen oder mit den Kindern zum Schwimmen gehen konnte? Wer Gottes Werk vollbringen und Sein Wort verkünden wollte, musste dorthin gehen, wo die Sünder sich aufhielten. Hatte nicht Christus selbst genau das getan? Das Einzige, was man dazu brauchte, waren gemeinsame Interessen, und Tim Widdows war sich sicher, dass es davon genügend gab.
     
    Der Mann, den Donna ihren Raben nannte, hatte noch keine Vorbereitungen für ihr Rendezvous getroffen. Der Name, den sie ihm zugelegt hatte, war ihm einigermaßen peinlich. Häufig brummte er Ablehnung, wenn sie ihn so nannte. Er hatte noch nicht Feierabend gemacht. Obwohl er sich auf das Treffen mit Donna freute, liebte er seinen Job und interessierte sich für seine Arbeit. Die Stunden, die er mit Donna verbrachte, und die aufregenden Dinge, die sie gemeinsam erlebten, bedeuteten ihm nicht mehr als das Salz in der Suppe oder der Zuckerguss auf dem Kuchen. Zufrieden wandte er sich noch einmal den Papieren auf seinem Schreibtisch zu.
    Der Name, den Donna für ihn gewählt hatte, war in gewisser Weise auch von Vorteil. Niemand würde ihn damit in Verbindung bringen, und zumindest zur jetzigen Zeit wünschte er nicht, dass jemand von ihrer Beziehung erfuhr.
    Er hatte noch genügend Zeit, zu duschen und sich umzuziehen, ehe er sich mit Donna an der üblichen Stelle traf.
     
    Im Crossways Cottage stand Kate vom Sofa auf und sagte: »Ich glaube, du hast recht. Ich brauche einen Tapetenwechsel. Was hältst du davon, in den Pub zu gehen und die Küche zu testen? Ich bekomme nämlich allmählich Hunger. Wie steht es mit dir?«
    »In meinem Alter ist man in der Lage, die niedrigeren Beweggründe menschlichen Daseins zu ignorieren«, gab Roz dramatisch zurück.
    »Mit anderen Worten: Du begnügst dich mit Zigaretten und Alkohol und kümmerst dich nicht um feste Nahrung«, erwiderte Kate frech.
    »Hast du mich eine einzige Zigarette rauchen sehen? Habe ich auch nur ein einziges Glas Wein zu mir genommen?«
    »Bis jetzt noch nicht. Aber uns bleibt ja sicher noch eine Menge Zeit«, sagte Kate düster. »Was ist jetzt mit unserem Besuch im Pub?«
    »Gute Idee. Aber mach um Himmels willen irgendetwas mit deinen Haaren und zieh dich um, ehe wir gehen.«
    »Wenn es unbedingt sein muss«, grollte Kate und verließ das Zimmer.
    »Und schmink dich ein bisschen«, rief ihre Mutter ihr nach.
    Glücklicherweise konnte sie Kates Antwort nicht hören.

5
    Für einen Pub, der auf der Kuppe eines Hügels und kilometerweit von irgendeinem Kanal entfernt lag, trug das Lokal den eher merkwürdigen Namen ›The Narrow Boat‹. Das Schild, das über dem Eingang hing, sah aus wie ein altes Ölgemälde und als wäre es von English Heritage für besonders pittoreske Pubs verliehen worden.
    »Ziemlich dick aufgetragen«, bemerkte Roz, als sie die Schwingtür mit den gravierten Milchglasscheiben aufstieß.
    Alles, was man nur dekorieren konnte, war mit den traditionellen rosafarbenen Rosen und grünen Schnörkeln bemalt. An den Wänden hingen gerahmte Fotos von Kanälen, Schleusen und Booten. Überall blinkte Messing. Wunderliche Wasserkrüge (grün gestrichen und mit Rosen verziert) standen auf den Tischen und dienten als Vasen für dicke, bäuerliche Blumensträuße. »Plastik?«, raunte Kate.
    Roz schnupperte am nächststehenden Strauß. »Jedenfalls nicht echt«, flüsterte sie zurück.
    »Ich frage mich, was die Einheimischen davon halten«, überlegte Kate, während sie sich umschaute.
    Roz atmete genüsslich die mit Bierdünsten und Nikotin geschwängerte Luft ein. »Die Einheimischen sind mir egal, aber das Klima hier drin gefällt mir. An die gute frische Landluft, die ich den ganzen Tag atmen muss, habe ich mich noch nicht gewöhnt. Sie schadet
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