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Flucht aus Korum

Flucht aus Korum

Titel: Flucht aus Korum
Autoren: Hubert Haensel
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Beine gekommen.
    Aber mitten in der Bewegung zuckte er zusammen.
    »Mein Beutel«, jammerte er. »Ich muß mich verletzt haben.«
    »Ich sehe nichts«, grinste Honga.
    »Hier.« Vorsichtig langte Gerrek mit der Rechten in seine Hauttasche. Als er sie wieder zum Vorschein brachte, waren seine Finger mit einer gelblichroten Flüssigkeit verschmiert. »Ich blute – ich verblute!« Anklagend verdrehte er seine Glubschaugen.
    »Das ist kein Blut«, widersprach Honga.
    Gerrek schien zu überlegen und leckte sich die Finger.
    »Hmm«, machte er. »Schmeckt fast wie… oh nein!«
    Mit beiden Händen griff er in den Beutel. Was zum Vorschein kam, war weiß mit grünen Tupfen.
    Dem Mandaler war die Überraschung anzusehen.
    »Seltsam«, murmelte er. »Ich verstehe nicht, was das sein soll.«
    »Ich dafür um so besser«, rief Vina. »Deine langen Finger greifen wirklich nach allem, was dich nichts angeht. Die Eier waren die letzte Verpflegung, die wir an Bord hatten.«
    »Eier…?« machte Gerrek verständnislos und rieb beide Handflächen gegeneinander. »Wo…?«
    Die Hexe seufzte und schüttelte den Kopf.
    »Gegen soviel Dummheit bin ich machtlos«, stöhnte sie. »Aber was kann man schon anderes von dir erwarten, wenn man bedenkt, daß du eigentlich ein Mann bist.«
    »…der Schönste meiner Art«, nickte Gerrek. »Der edelste und sanftmütigste und klügste…«
    »Wer stiehlt, lügt auch«, murmelte Honga.
    Die durchscheinende Haut der Fenster veränderte sich. Gerrek sah sich unverhofft einem zweiten Mandaler gegenüber. Entsetzt prallte er zurück.
    »Igittigit«, zischte er. »Wer ist dieses häßliche Monstrum?«
    »Dein Ebenbild«, rief Vina aufgebracht. »Hält es wirklich das, was du versprichst?«
    »Mein…« Gerrek bekam Stielaugen. Der Beuteldrache, den er im Spiegel sah, war völlig durchnäßt. In wirren Strähnen hingen ihm die Haare vom Schädel, sein halbes Maul und die Nüstern waren rußgeschwärzt, einige der Barthaare versengt.
    Der Anblick stimmte ihn traurig. Und wenn er traurig war, mußte er niesen.
    Doch nur ein paar jämmerliche Funken stoben davon und erloschen, bevor der Mandaler richtig begriff, daß die Nässe ihm mehr zusetzte, als er wahrhaben wollte.
     
    *
     
    Das Gewitter war weitergezogen, und die letzten düsteren Wolken trieben schnell auseinander.
    Das Luftschiff trieb nach Süden, einem strahlend blauen Himmel entgegen, der sich immer weiter über das Firmament erstreckte. Etliche kleine Inseln, die wie Perlen einer Kette nebeneinander aufgereiht waren, erhoben sich aus dem Meer – von schäumender Brandung umspült.
    Vereinzelt huschten Sonnenstrahlen über die Wellen. Ein Anblick, den Honga lange Zeit entbehrt hatte. Die wenigen Wolken, die noch vor dem Zugvogel lagen, leuchteten in allen Farben des Regenbogens, angefangen von einem zarten Gelb bis hin zu kräftigem Purpur und Blau. Das Licht brach sich in ihnen und ließ ihre Ränder zerfasert erscheinen.
    »Wir nähern uns der Großen Barriere«, sagte Vina.
    Gedankenverloren stand Honga an einem der Fenster und starrte hinaus. Je näher der Zugvogel den Inseln kam, desto deutlicher wurde, daß zwischen ihnen in regelmäßigen Abständen Felsen aufragten. Diese wirkten wie von Menschenhand behauene Monumente – stumme Zeugen einer großen Vergangenheit. Wahrscheinlich trotzten sie schon seit Tausenden von Jahren den zerstörerischen Kräften der Elemente.
    Zeitlos waren sie.
    Turmhoch ragten sie auf, erinnerten in gewisser Weise an…
    »Gesichter?« fragte Honga überrascht. »Welche Bewandtnis hat es mit ihnen? Es mögen viele sein.«
    »Keiner hat sie gezählt«, nickte Vina. »Hunderte und aber Hunderte bilden die südliche Grenze der Schattenzone. Es sind Schädel von besonderer Ausdruckskraft, denen magische Kräfte innewohnen und die in ihrer Gesamtheit die Große Barriere bilden. Durch sie wird die Dämmerzone daran gehindert, sich weiter auszubreiten und riesige Teile Vangas mit Finsternis zu überziehen. Alles Böse und Schwarzmagische wird nach Norden zurückgeschleudert, wo ewige Finsternis die Hexe und den Krieger, die zusammen einst diese Welt gezeugt haben, für lange Zeiten voneinander trennt.«
    Honga fühlte Vinas Blick auf sich ruhen. Ahnte sie, wer er in Wirklichkeit war?
    Ihre Worte besaßen einen merkwürdigen Klang. Oder bildete er sich dies nur ein? Glaubte er wirklich, daß ein neues Zeitalter aus den Trümmern der Überlieferung erstehen würde, nur weil es ihm, dem Krieger aus Gorgan, gelungen
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