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Flucht aus Katmandu

Titel: Flucht aus Katmandu
Autoren: Kim Stanley Robinson
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es für sich behalten wird. Du darfst niemandem davon erzählen!!! Okay? Ich weiß, daß Du nichts verraten wirst – seit wir Zimmergenossen im Uniwohnheim waren, bist Du der einzige, mit dem ich im Vertrauen über alles sprechen kann. Und ich bin froh, einen Freund wie Dich zu haben, denn ich habe herausgefunden, daß ich es wirklich jemandem erzählen muß, wenn ich nicht wahnsinnig werden will.
    Wie Du Dich vielleicht erinnerst, habe ich kurz nach Deinem Weggang an der Davis-Universität meinen Magister in Zoologie gemacht und mehr Jahre, als ich mich erinnern möchte, dort an meinem Doktor gearbeitet, bevor ich die Nase voll hatte und ausstieg. Ich wollte nichts mehr mit dem Universitätsbetrieb zu tun haben, doch im letzten Herbst bekam ich einen Brief von einer Freundin, mit der ich mir ein Büro geteilt hatte, von einer gewissen Sarah Hornsby. Sie würde an einer zoologisch-botanischen Expedition ins Himalaja-Gebirge teilnehmen, einem Lager nach dem Vorbild der Cronin-Expedition, bei der sich zahlreiche Wissenschaftler unterschiedlichster Fachrichtungen in einer so unbefleckten Wildnis häuslich niederließen, wie man sie hier noch findet. Sie wollten, daß ich sie wegen meiner ›umfassenden Erfahrung in Nepal‹ begleitete, womit gemeint war, daß sie mich als Sirdar wollten und mein akademischer Abschluß nichts damit zu tun hatte. Das war mir ganz recht. Ich nahm den Job an und hackte auf das bürokratische Unterholz in Katmandu los. Einwanderungsbehörde, Tourismusministerium, Land- und Forstwirtschaft, Naturschutz, die ganze schreckliche Prozedur, die eindeutig von jemandem entworfen worden war, der zuviel Kafka gelesen hatte. Doch schließlich hatte ich es überstanden, und im Frühlingsanfang flog ich mit vier Tierverhaltensforschern, drei Botanikern und einer Tonne Vorräte nach Norden. Auf dem Flughafen erwarteten uns 22 einheimische Träger und ein echter Sirdar, und es ging los.
    Ich werde nicht sagen, wohin genau wir marschierten. Es hat nichts mit Dir zu tun; es wäre nur zu gefährlich, es schriftlich festzuhalten. Jedenfalls befanden wir uns ziemlich hoch oben in der Nähe einer dieser Wasserscheiden, in der Nähe des Himalajagrats und der Grenze zu Tibet. Du weißt, wie diese Täler enden: die Nebentäler steigen immer höher, und schließlich folgt eine letzte verschachtelte Schlucht – die Talausläufer erstrecken sich zu den höchsten Gipfel. An einer Stelle, an der sich drei dieser blinden Täler treffen, schlugen wir unser Basislager auf, und die Mitglieder der Gruppe konnten sich bachaufwärts oder -abwärts wenden, je nach ihrem Projekt. Es gab einen Trampelpfad zum Lager und eine Brücke über den Bach, doch die drei oberen Täler waren Wildnis, und es war nicht einfach, durch den Wald in sie hineinzukommen. Doch genau das suchten diese Leute – fast unberührte Wildnis.
    Nachdem sie das Lager aufgeschlagen hatten, kehrten die Träger zurück; nur wir acht blieben. Meine alte Freundin Sarah Hornsby war die Ornithologin – sie ist ziemlich gut in ihrem Beruf, und ich habe eine Weile mit ihr zusammengearbeitet. Doch sie hatte einen Freund dabei, den Säugetierkundigen (nein, nicht, was Du denkst, Freds) Phil Adrakian. Ich konnte ihn von Anfang an nicht besonders gut leiden. Er war der Expeditionsleiter und ein absoluter Mr. Tierverhalten – aber er hatte so seine Schwierigkeiten, da oben überhaupt Säugetiere zu finden. Valerie Budge war die Entomologin – kein Problem für sie, Forschungsobjekte zu finden, was? (Ja, sie war ein toller Käfer. Noch eine Expertin.) Und Armaat Ray war der Herpetologe, obwohl er schließlich hauptsächlich Phil bei der Errichtung des Tarnverschlags half, aus dem wir die Nachttiere beobachten wollten. Die Botaniker hießen Kitty, Dominique und John; sie verbrachten sehr viel Zeit miteinander in einem großen Zelt voller Pflanzenmuster.
    Also – Lagerleben mit einer zoologischen Expedition. Ich nehme nicht an, daß Du so etwas je erlebt hast. Verglichen mit einer Bergtour ist es alles andere als aufregend, das kann ich Dir sagen. Bei dieser Expedition verbrachte ich die erste oder die beiden ersten Wochen damit, über die Brücke zu gehen und die besten Wege durch den Wald in die drei Hochtäler zu suchen; danach half ich hauptsächlich Sarah bei ihrem Projekt. Doch die ganze Zeit über machte ich mir einen Spaß daraus, diese Gruppe zu beobachten – als Verhaltenskundler der Tierverhaltenskundler, sozusagen.
    Nachdem ich es einmal versucht hatte und
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