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Flucht aus Katmandu

Titel: Flucht aus Katmandu
Autoren: Kim Stanley Robinson
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greift. Da könnten Sie doch gleich Bomben werfen wie die Ram Raja Prasad Singh, argh! Und was für eine Berechtigung haben Sie für diese Dummheit? Stehen die Dinge in Ihrem Land so ausgezeichnet, daß Sie zu uns kommen müssen, um unsere Probleme zu lösen? Nein! Nein! Nein! Sie schwärmen über die ganze Welt aus und geben vor, alle Probleme zu lösen, und mittlerweile schaffen Sie die Hälfte dieser Probleme selbst, schicken Soldaten aus und betreiben Zinswucher und zwingen uns Ihre chemischen Fabriken auf! Und gibt es in Ihrem Land keine armen Menschen, denen Sie helfen müßten? Gibt es dort keine politischen Probleme? Gibt es keine Korruption in Ihrem Militär? Mit Sicherheit gibt es die! Warum kümmern Sie sich nicht um die Angelegenheiten Ihres eigenen Landes und lassen den armen Rest der Welt in Ruhe? Entführen Sie doch Ihren eigenen König, wenn Sie glauben, so etwas tun zu müssen! Den König von Nepal zu entführen! Dumm! Dumm! DUMM!« Und dann ein langer Redeschwall auf Nepalesisch.
    »He«, sagte Freds. »Jetzt lassen Sie ihn gefälligst in Ruhe, ja! Das war doch nur eine Idee!«
    »Nur eine Idee! Nur eine Idee, den König zu entführen und die Regierung zu stürzen!«
    »Na klar«, sagte Freds. »Warum nicht?«
    Bahadim konnte es nicht glauben.
    »Nein, wirklich«, sagte Freds. »Das haben Sie doch sowieso vor, oder? Sie führen dort unter der Stadt eine Schattenregierung, oder? Warum sollten Sie da nicht die Macht übernehmen? Der Vater des Königs hat dasselbe getan. Wenn Sie dazu bereit gewesen wären, hätten Sie sich verdammt glücklich schätzen müssen, daß George Ihnen den König einfach so ausliefert. Das hätte Ihnen in den Kram passen müssen!«
    »Nein!« sagte Bahadim. »Niemals. Sie verstehen das nicht.«
    »Das glaube ich auch«, sagte Freds.
    Bahadim atmete tief ein. Er war so aufgeregt, daß sein Ast zitterte.
    Er riß sich zusammen und beruhigte sich. Nach einer Weile versuchte er, es Freds zu erklären. »Wir in Nepal, wir sind unserem König treu ergeben. Wir lieben unseren König. Er ist unser König, der König eines unabhängigen Nepals, das niemals von einem anderen Land beherrscht wurde.«
    »Ja, aber er ist ein Schurke.«
    »Nein! Das stimmt nicht. König Birendra ist kein Schurke. Die Leute sagen das vielleicht, weil er König ist, oder weil sein jüngerer Bruder ein Tunichtgut ist. Und die Ranas, sie umgeben ihn – die Königin, die Armee, seine Berater –, sie sind überall um ihn herum und machen es ihm unmöglich, so zu handeln, wie er vielleicht gern handeln würde. Er ist kein starker König wie sein Vater, das gestehe ich ein.
    Aber er ist ein kluger Mann, und er weiß, woher die Probleme Nepals rühren. Er will die Dinge verändern.«
    »Ach ja?« sagten Freds und ich gleichzeitig.
    »Ja. König Birendra möchte politische Reformen, um die wirtschaftlichen Reformen zu unterstützen. Diese Hilfsprogramme sind ihm ein Dorn im Auge, die Bürokratie und die Korruption und die Ranas. Er will ein konstitutionelles Land, verstehen Sie? Aber es liegt nicht in seiner Macht, das zu bewerkstelligen. Viele, viele Leute möchten, daß der Palast das Sagen hat. Der König ist ein Gefangener des Kastensystems, der Macht der Ranas. Sie sind reicher als er, sie beherrschen die Armee, verstehen Sie? Also muß er mit uns zusammenarbeiten.«
    »Mit euch!« rief ich.
    »Ja. Erinnern Sie sich, daß ich Ihnen gesagt habe, wir arbeiteten unter der Stadt, um den Menschen zu helfen, mit Geldmitteln, die reiche Nepalis zur Verfügung stellen, die mit unserer Sache sympathisieren?«
    »Birendra?« Ich war erstaunt.
    »Ja«, sagte Bahadim. »Wir haben Kontakt mit ihm, und er weiß, was wir tun. Er hilft uns. Das ist eine Möglichkeit, mit der er etwas verändern kann, ohne daß die Ranas davon erfahren. Er ist unser Schutzherr. Wir beraten uns durch diesen Riß in seinem Schrank mit ihm. Er ist unser König, wir lieben ihn. Er hat seine Schwächen, doch er gibt sein Bestes, und es liegt nicht an ihm, daß in Nepal so einiges nicht in Ordnung ist, jedenfalls nicht völlig. Er tut, was er kann, genau wie wir.«
    »Warum haben Sie mir das nicht gesagt?« fragte ich schockiert.
    »Das geht Sie nichts an! Ich habe Ihnen doch gesagt, daß wir in Nepal einiges geheimhalten, einige Dinge, die allein Nepal gehören. Natürlich können wir nicht verbreiten, daß der König durch eine unterirdische Regierung arbeitet! Wenn das bekannt würde, würden die Ranas es verhindern. Also habe ich es vor Ihnen
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