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Flucht aus Katmandu

Titel: Flucht aus Katmandu
Autoren: Kim Stanley Robinson
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im Loch, stiegen die Leitersprossen hinab und traten dem König auf den Kopf, und Bahadim zerrte mich am Arm, und wir verschwanden in die Dunkelheit.

16

    Als wir den Rest unserer Gefährten gefunden hatten, die sich immer noch wie Derwische bei einem verrückten Tanz aufführten, verschaffte sich Bahadim lautstark ihre Aufmerksamkeit und berichtete ihnen schnell auf Englisch und Nepalesisch, was passiert war. Alle hielten inne und sahen mich ungläubig an. Dann traten Freds und Colonel John vor, und nach einer schnellen Beratung liefen alle durcheinander; einige versuchten anscheinend, die Tunnels zu blockieren, um das Ausmaß des Systems vor den Soldaten des Königs zu verbergen, und andere, darunter auch die Schwadron Yetis, bemühten sich einfach, ihnen nicht im Weg zu stehen. Freds führte uns zum Eingang eines obskuren Seitentunnels, den ich noch nie betreten hatte. »Bleibt hier«, sagte er zu mir und Bahadim, und dann waren er und der Colonel schon wieder fort.
    Wir standen in der Dunkelheit und lauschten. In den Tunnels herrschte eine unheimliche Stille, die von gelegentlichen Rufen aus der Richtung des Palasts durchbrochen wurde – zweifellos die Leibwächter des Königs. Dann und wann schlug Bahadim mir auf den Arm und murmelte leise etwas vor sich hin. Schließlich kam Freds schwer atmend zurück. Er legte die Hände um den Mund und rief in die Richtung zurück, aus der er gekommen war. »Oh! Nein! Da kommen sie! Lauft!« Wir hörten Schreie und liefen den schmalen Seitentunnel entlang.
    »Was tun wir?« fragte ich Freds, während wir neben ihm trabten.
    »Wir sind die Lockvögel«, sagte er. »Das ist der Tunnel, der nach Chitwan führt, du weißt, der, den wir gefunden haben. Der Colonel hat die Leibwächter, die aus dem Königspalast hinabkamen, dazu gebracht, uns zu folgen, und er hofft, währenddessen einen Großteil des Tunnelsystems blockieren und so verbergen zu können, was es alles hier unten gibt.« Wir kamen an eine Gabelung, und Freds führte uns nach links. Wir liefen ein paar Minuten diesen Tunnel entlang, und dann drehte er sich um und rief: »Oh! Nein! Da kommen sie!«
    »Das wird nicht nötig sein, wenn ich nur Gelegenheit bekommen, mit diesen Leuten zu sprechen«, sagte Bahadim. »Ich muß mich nur kurz mit ihnen unterhalten.«
    »Kann schon sein«, sagte Freds, »doch sie scheinen ihre Pistolen gezogen zu haben, und ich glaube nicht, daß Sie ausgerechnet jetzt mit ihnen sprechen sollten.«
    »Nein«, stimmte Bahadim ihm zu und schlug mir wieder auf den Arm.
    »Freds«, sagte ich, »sind es nicht etwa hundertfünfzig Kilometer bis nach Chitwan?«
    »Ich glaube schon.«
    »Und wollen wir bis dahin laufen?«
    »Nein, es gibt hier irgendwo diese kleinen Loren. Ah! Da sind sie.«
    Im Licht unserer Taschenlampen sahen wir sie; wir befanden uns in einer runden Erweiterung des Tunnels, und an einer Wand standen ein paar kleine hölzerne Loren, deren eiserne Räder leuchteten. Freds lief zu der ganz vorn und stieß sie an; sie rumpelte über die in den Boden des Tunnels eingelassenen Gleise. »Komm schon, steig' auf, schnell!« sagte er, und so sprangen wir auf und rollten in die Dunkelheit. Freds pumpte etwas auf und ab, das wie der Handantrieb einer alte Draisine aussah, und wir rollten immer schneller. »Zieh diesen Hebel hoch, wenn wir in eine Kurve kommen«, sagte er. »Das ist die Bremse.«
    Ich richtete meine Taschenlampe in die vorbeirauschende Dunkelheit, doch sie ergab nur einen schlechten Scheinwerfer. »Woher soll ich wissen, daß wir in eine Kurve kommen?«
    »Du wirst es merken.«
    »Willst du den ganzen Weg bis nach Chitwan pumpen?«
    »Wir fahren bergab. Chitwan liegt etwa tausend Meter tiefer, und so kommt es eher auf das Bremsen an. Die Fahrt hinauf muß ziemlich beschwerlich sein. He, brems nicht so stark, wir fahren auf Schienen, und die Soldaten sind uns auf den Fersen.«
    »Glaubst du?«
    »Sieh doch.«
    Hinter uns leuchtete kurz ein Licht auf. Die Räder unserer Lore kreischten zu laut, als daß wir etwas außer unseren eigenen Stimmen hätten hören können, und die auch nur, wenn wir uns in die Gesichter schrien; doch offensichtlich folgte uns ein anderer Wagen. Freds schob mich beiseite und übernahm die Bremse.
    »Mal sehen, wie schnell wir diese alte Karre ans Laufen kriegen.«
    Dem Kreischen der Räder zufolge und der Luft, die über uns hinwegrauschte, und den Wänden, die im Lichtkegel der Taschenlampe an uns vorbeiflogen, waren wir wohl ziemlich schnell.
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