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Fluch, Der: Roman

Fluch, Der: Roman

Titel: Fluch, Der: Roman
Autoren: Stephen King
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gegrillte Haut, wenn es erst einmal in den Mikrowellenherd geraten war, und doch konnte er sich nicht daran erinnern, daß er irgendwann einmal eine Portion dieser Scheußlichkeiten ungegessen weggeworfen hätte. Er mochte sein Bier gern, klar, zugegeben, aber viel mehr noch mochte er sein Essen. Eine Dover-Seezunge in einem der besseren New Yorker Restaurants war eine feine Sache, aber wenn er nachts länger aufblieb und sich die Sportsendungen im Fernsehen ansah, reichte ihm auch eine Tüte Maischips mit etwas Krabbensoße auf dem Beistelltisch.
    Seine körperlichen Ertüchtigungsprogramme dauerten meistens eine Woche, dann kam ihm sein Arbeitsplan dazwischen, oder er verlor schlichtweg das Interesse daran.
    Ein Satz Hanteln brütete still im Keller vor sich hin und setzte allmählich Rost an. Jedesmal, wenn er hinunterging, schienen sie ihn vorwurfsvoll anzusehen. Er versuchte immer, gar nicht auf sie zu achten.
    Dann zog er seinen Bauch noch stärker ein als sonst und erklärte Heidi rund heraus, daß er zwölf Pfund abgenommen habe und jetzt nur noch 236 wog. Sie nickte beifällig, sagte ihm, wie sehr sie sich freue und, natürlich, sie könne den Unterschied sogar sehen; doch während der ganzen Zeit wußte sie selbstverständlich, was los war. Schließlich fand sie die leeren Maischipstüten im Mülleimer. Und seit in Connecticut ein Recyclinggesetz für Flaschen und Konservendosen verabschiedet worden war, wurden die leeren Dosen in der Speisekammer ebenso zur Quelle für Schuldgefühle wie die unbenutzten Hanteln im Keller.
    Sie sah ihn, wenn er schlief; ja schlimmer noch, sie sah ihn, wenn er pinkelte. Man konnte beim Pinkeln einfach nicht den Bauch einziehen. Er hatte es mal probiert, es war schlicht unmöglich. Sie wußte, daß er nur drei, im Höchstfalle vier Pfund abgenommen hatte. Man konnte seine Frau in bezug auf eine andere Frau an der Nase herumführen – jedenfalls eine Zeitlang –, aber man konnte nicht sein Gewicht vor ihr verbergen. Eine Frau, die dieses gesamte Gewicht von Zeit zu Zeit nachts auf sich spürte, wußte, wie schwer man war. Aber sie lächelte und sagte: »Aber natürlich, du siehst schon viel besser aus, Liebling.« Zum Teil war das vielleicht gar nicht bewundernswert - es hielt ihn davon ab, ihre Zigaretten zu kritisieren -, aber er ließ sich nicht soweit narren, zu glauben, daß es allein das wäre. Das war auch nicht das Entscheidende. Es war ihre Art, ihm seine Selbstachtung zu erhalten.
    »Billy?«
    »Was ist?« Zum zweitenmal aus dem Schlaf geschreckt, blickte er leicht belustigt und leicht irritiert zu ihr hinüber.
    »Fühlst du dich ganz wohl?«
    »Mir geht es gut. Was soll dieser ›Fühlst-du-dich-ganz-wohl‹-Unsinn?«
    »Hmm... manchmal... es heißt, daß ein nicht geplanter Gewichtsverlust ein Symptom für etwas sein kann.«
    »Ich fühle mich großartig. Und wenn du mich jetzt nicht schlafen läßt, werde ich es dir beweisen, indem ich mir dich gleich noch mal vornehme.«
    »Nur zu.«
    Er stöhnte auf. Sie lachte. Kurz darauf waren sie eingeschlafen.
    In seinem Traum kamen Heidi und er gerade aus dem Supermarkt, nur diesmal wußte er, daß er sich in einem Traum befand, er wußte, was gleich passieren würde, und er wollte ihr sagen, daß sie mit dem, was sie gerade tat, aufhören solle, daß er seine volle Aufmerksamkeit auf das Fahren konzentrieren müsse, denn gleich würde eine alte Zigeunerin zwischen zwei geparkten Wagen hervorgeschossen kommen – zwischen einem gelben Subaru und einem dunkelgrünen Firebird, um genau zu sein –, und diese alte Frau würde eine Zehnpfennig-Kinderhaarspange aus Plastik in ihrem dünnen, grauen Haar tragen, und sie würde keine Anstalten machen, sich umzusehen, sondern nur geradeausstarren. Er wollte Heidi sagen, daß dies seine Chance wäre, alles rückgängig zu machen, sich anders zu verhalten, es wiedergutzumachen.
    Aber er konnte nicht sprechen. Die angenehme Erregung erwachte wieder bei der anfangs nur verspielten Berührung ihrer Finger. Dann wurden sie fordernder (sein Perus versteifte sich im Schlaf, und er wendete den Kopf leicht, während er im Traum das metallische Klicken hörte, als sein Reißverschluß langsam geöffnet wurde); die Erregung vermischte sich mit dem unangenehmen Gefühl von furchtbarer Unausweichlichkeit. Jetzt sah er wieder den gelben Subaru vor sich, der hinter dem dunkelgrünen Firebird mit den weißen Rennstreifen geparkt war. Und zwischen ihnen einen Augenblick lang eine Erscheinung,
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