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Flöte und Schwert

Flöte und Schwert

Titel: Flöte und Schwert
Autoren: Christoph Lode
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Räume, die Hunderte oder gar Tausende von Büchern enthielten, und gelangte schließlich in einen Korridor. Ein halbes Dutzend Diener beobachtete durch die Fenster die Geschehnisse auf dem Hof. Eine Frau hatte ein Weinkrampf, und einer der Männer schrie immer wieder: „Wir müssen die Türen verrammeln!“ Omar warf einen Blick in die angrenzenden Zimmer. Sie enthielten nichts als Bücher, Schriftrollen, Papier. Die letzte Tür war verschlossen. Omar ging einen Schritt zurück und trat mit seiner ganzen Kraft dagegen. Das dünne Holz splitterte an den Angeln, und er rammte sie mit der Schulter ein.
    Drinnen sah er Nadirah.
    Sie stand am Fenster der kleinen Kammer und hatte sich zur Tür umgewandt, das Gesicht blass vor Furcht. „Omar!“ Sie lief zu ihm und drückte sich an ihn.
    Omar schloss die Augen und strich ihr übers Haar. Er konnte fühlen, wie ihr Herz pochte, schnell und aufgeregt. „Wir müssen fliehen.“
    Nadirah sah ihn an. Omar musste sich zwingen, sie loszulassen. Die Klarheit ihres Blicks verriet ihm, dass der Zauberbann von ihr gewichen war. Leise fragte sie: „Was geschieht hier?“
    „Später erkläre ich dir alles. Komm!“ Er nahm ihre Hand.
    „Warte! Wir müssen Sarah finden!“
    Omar runzelte die Stirn, dann begriff er. Nadirah meinte die Frau, die ihre Nachricht überbracht hatte. „Wer ist sie?“
    „Eine Sklavin wie ich. Sie ging vor einer Stunde zum Gesindehaus.“
    „Du bist keine Sklavin mehr. Al Tufail ist tot.“ Omar dachte daran, dass der Dämon das Gesindehaus in Schutt und Asche gelegt hatte. Falls sich Sarah darin aufgehalten hatte, war sie vermutlich ebenfalls tot. „Vielleicht finden wir sie“, sagte er ohne Überzeugung.
    Sie ließen die Bibliothek hinter sich und eilten die Treppe hinunter, durch das große Gemach. Niemand stellte sich ihnen in den Weg, und wenig später verließen sie den Palast. Rauch und Staubschwaden erfüllten den Hof. Das Küchengebäude, die Kornkammer und einige andere Gebäude brannten. Überall lagen Leichen. Zwei Krieger, mit langen Spießen bewaffnet, stürmten vorbei. Menschen irrten zwischen den Trümmern umher. Der Schlangendämon war nicht zu sehen – sein Brüllen erklang von der anderen Seite des Hofs. Bogenschützen standen auf der Wehrmauer und schossen Pfeil um Pfeil ab.
    „Wir müssen uns beeilen!“, keuchte Omar.
    Vom vorderen Teil des Gesindehauses waren nur noch schwelende Haufen aus Stein und Holz übrig; der hintere Teil brannte. Omar sah die Beine eines Mannes, die unter dem Schutt hervorschauten. Nadirah betrachtete schweigend die Ruine, dann griff sie nach Omars Hand. Ihre Finger waren kalt.
    „Nadirah!“
    Omar drehte den Kopf. Sarah eilte über den Hof, rußverschmiert, aber unverletzt. Nadirah lief ihr entgegen, und die beiden Frauen umarmten sich. Währenddessen sah Omar sich um. Inzwischen hielt sich niemand mehr auf dem Hof auf, abgesehen von den Soldaten, die gegen den Dämon kämpften. Die übrigen Bewohner hatten sich vermutlich in den Kellern versteckt. Diese Narren waren nicht auf die Idee gekommen, das Tor zu öffnen und zu fliehen. Er betrachtete die beiden sechs Ellen hohen Flügel und fragte sich, wie es ihm gelingen sollte, den mächtigen Balken zu entfernen, der als Riegel diente. Höchstens ein Ochse wie Bahir wäre dazu in der Lage.
    Bahir! Omar war versucht, sich gegen die Stirn zu schlagen. Er hatte den Hünen völlig vergessen! Seine Gedanken kreisten wie Feuerräder, und wenige Sekunden später wusste er, wie er vorgehen musste. Er lief zu Nadirah und Sarah. „Lauft zu den Ställen und versteckt euch dort!“
    „Was hast du vor?“, fragte Nadirah.
    „Eine Schuld begleichen“, sagte Omar und setzte sich in Bewegung.
    Die Schmiede gehörte zu den Gebäuden, die bis jetzt verschont geblieben waren. Omar stürmte durch die Tür, griff sich eine Axt, die beim Brennholz lag, und hastete die Treppe hinunter. Der Kohlenkeller war erleuchtet. Menschen kauerten auf dem Boden. Omar sah Verzweiflung und Entsetzen in den Gesichtern; manche redeten oder weinten leise. Er entdeckte Hassan in der Menge. Der Alte starrte eine Weinflasche an, dann setzte er sie an die Lippen und trank.
    „Bahir!“, rief Omar, als er den letzten Raum erreichte. Ein Schemen bewegte sich hinter dem Gitterfenster, und plötzlich war Bahirs Gesicht zu sehen. Er strahlte, als er Omar erblickte. „Flötenmann!“, dröhnte er.
    „Geh von der Tür weg!“ Omar holte aus. Die Axt krachte auf das Schloss. Nach dem dritten
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