Fliegende Fische Band (Junge Liebe ) (German Edition)
hält ganz still, bis Mick sich wieder entspannt.
Daniel denkt, dass er vielleicht einfach nicht den Fehler machen sollte, zu glauben, er würde Mick kennen, oder für ihn zu entscheiden, wie lange etwas schmerzen darf.
Er ist durch seine eigene kleine Hölle gegangen, aber wie die von Mick aussieht, weiß er nicht.
Er küsst Micks Lippen, sehr sachte und streicht ihm durch die Locken, bis er in einem Kokon aus Wärme und Nähe einschläft.
***
Der nächste Morgen beginnt kalt und nass. Kalt, weil die Autotüren offen stehen und nass, weil Mick mit nassen Haaren auf Daniel hinunter tropft und seine nasse, eiskalte Wange gegen Daniels Gesicht drückt.
„Uuuh“, murmelt Daniel. „Weg.”
„Guten Morgen, Schöner”, strahlt Mick.
„Nix. Weg.”
„Du verpasst gerade einen spektakulären Sonnenaufgang”, erklärt Mick.
„Du bist wohl nicht ganz frisch“, knurrt Daniel. „Wenn da draußen Sonnenaufgang ist, dann ist es … wie spät? Halb fünf?“
„Aber jetzt, wo du doch schon mal wach bist, kannst du ihn genauso gut anschauen.“
„Ich bin nicht wach. Ich bin nur wach, weil du … ach, vergiss es.“
Daniel blinzelt und richtet sich auf. Er spürt jeden einzelnen Knochen und Muskel. Die umgeklappten Rücksitze eines Autos, und sei es noch so teuer, eignen sich wohl nur bedingt zum Übernachten.
Daniel reibt sich die Augen. Mick neben ihm zappelt, dass das Auto auf den Achsen schaukelt. Es fehlt nur noch, dass ihm kleine, blaue Energieblitze aus den Locken schießen.
„Warum hast du nasse Haare?“, murmelt Daniel. „Regnet es?“
„Ich war schon im Wald“, strahlt Mick. „Es gibt einen Bach, hier gleich neben dem Weg.“
„Und da musstest du sofort deinen Kopf reinstecken?“
„Das Wasser ist so kalt! Und ganz klar!“
„Du hast es hoffentlich nicht getrunken?“
„Doch, wieso?“
Daniel stöhnt und lässt sich nach hinten umfallen.
„Na ja. Egal. Die paar Pestizide machen einem Naturburschen wie dir sicher nichts aus.”
„Da waren keine Pestizide.“ Mick folgt Daniel mit seinen kalten Händen und den tropfenden Locken. „Nur ein paar Kaulquappen. Süße, kleine Babyfische. Willst du sie sehen?”
„Kaulquappen wollen mal Frösche werden, keine Fische.”
„Oh. Ach so. Und ich hatte mich schon gewundert, warum die Beine haben.“
Daniel stöhnt gequält und dreht sich auf den Bauch, was nur zur Folge hat, dass Mick sich auf ihn drauf legt und ihm in den Nacken tropft.
„Du hättest ein Fisch werden sollen“, knurrt Daniel. „So wie du in jede Pfütze springst.“
„Würdest du mich dann noch mehr lieben?“
„Vielleicht. Zumindest würdest du mich nicht um halb fünf Uhr morgens aus dem Bett schmeißen. Minus das Bett.“
„Jetzt komm schon. Du musst aufstehen. Du verpasst sonst die ganze Show.“
Daniel dreht den Kopf zur Seite und blinzelt aus der Autotür. Auf der anderen Straßenseite ist ein Getreidefeld, das sich in sanften Wellen bis zum Waldrand zieht. Zarte Nebelschwaden steigen daraus in einen Himmel, der mit rosa und violettem Licht übergossen ist.
„Wow“, murmelt Daniel.
„Genau“, sagt Mick.
„Ich kann nicht aufstehen, so lange du auf mir drauf liegst.“
„Da ist was dran“, gibt Mick zu und klettert von Daniel runter und aus dem Auto. Daniel, seiner letzten Ausrede beraubt, folgt langsamer.
Sein Rücken schmerzt und sein Gehirn arbeitet mit der gewissen Überschärfe, die er immer nach durchgemachten Nächten empfindet. Er muss pinkeln und denkt träge darüber nach, ob mit Mick wohl eine Guten-Morgen-Nummer drin ist, aber gerade in dem Augenblick fährt ein Traktor vorbei und erinnert Daniel daran, dass sie, entgegen allem Anschein, nicht die einzigen Menschen auf der Welt sind.
Zehn Minuten später hat der Sonnenaufgang seine Faszination auf Mick verloren und sie sind wieder unterwegs. Mick fährt zurück auf die Autobahn und gibt Gas. Daniel findet einen alten Autoatlas im Handschuhfach und sucht ihren Standort auf der Karte. Immerhin haben sie es in der vergangenen Nacht noch bis ins tiefe Thüringen geschafft. Mick reißt das Radio auf und lässt die Fenster runter. Der Fahrtwind schlägt Daniel die Haare ins Gesicht und wenn er noch nicht wach war, ist er es spätestens jetzt. Mick singt aus voller Kehle irgendeinen dämlichen Boygroup-Titel mit und trommelt mit den Händen aufs Lenkrad. Daniel würde es besser finden, wenn er dazu nicht hundertachtzig fahren würde, aber er behält seine Zweifel für sich.
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