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Fleisch ist mein Gemüse

Fleisch ist mein Gemüse

Titel: Fleisch ist mein Gemüse
Autoren: Heinz Strunk
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verzweifelter seine Versuche wurden, desto mehr amüsierten sich die Leute. Der Illusionist war kurz davor, in Tränen auszubrechen, als er schließlich ohne seine Vögel abziehen musste.
    Klingelingeling.
    «Ich hab da noch einen   … Mutti, Mutti, ich kann keine Pickel mehr kriegen! Warum das denn nicht? Kein Platz mehr.»
    Die Leute wieherten vor Vergnügen. Ich fuhr unablässig fort, die Bühne einzunebeln. Den Kollegen reichte es langsam: «Hör mal auf jetzt, du Sau.»
    Halb zehn, und noch nicht einmal das Dessert war serviert. Ich hatte mich in eine regelrechte Pupshysterie hineingesteigert.
    Klingelingeling.
    «Da fällt mir noch einer ein   …»
    Der Saal tobte, und der großkalibrige Amateurscherzbold lief zur Form seines Lebens auf. Er hatte alle Hemmungen abgelegt und riss mit der Wucht seines Vortrages die ganze Gesellschaft mit. Endlich kam die Eistorte mit Früchten der Saison.
    Klingelingeling.
    «Ach übrigens, kennt ihr den schon   …?»
    Die Leute kannten ihn noch nicht, fanden ihn aber gut. Schon wieder zündete ich einen leisen Kriecher. Mir war die Kontrolle über meinen Unterleib nun gänzlich entglitten. Angeekelt sahen mich die Kollegen an. Die Bühne roch wie ein gerade benutztes Klo. Dann geschah das, was nicht hätte geschehen dürfen. Der Vater des Bräutigams erhob sich. Er hatte sich seine Rede bis ganz zum Schluss aufgespart.
Klingelingeling.
Pssst, leise, der Bräutigamsvater will seine Rede halten! Aber so groß und stattlich der Mann war, er verfügte nur über ein heiseres, fisteliges Stimmchen ohne jegliche Durchschlagskraft.
    «Liebe Susanne, lieber Thomas, liebe Hochzeitsgäste   …»
    Gleich wurden Rufe laut. «Mikro, er braucht ein Mikro.»
    «Bin ich zu verstehen? Also nochmal, liebe Susanne, lieber Thomas.»
    Wieder blökten die Leute los: «Man versteht nix. Mikro! Band, gib mal ein Mikro.»
    Da entschloss sich der Fistelmann zu einem verhängnisvollenSchritt. Er machte sich auf den Weg zur Bühne, um von dort aus über Mikrophon seine Rede zu halten. Gurki versuchte das noch in letzter Sekunde zu verhindern.
    «Sie können Ihre Rede auch vom Platz aus halten, wir reichen Ihnen ein Mikrophon herunter.»
    Zu spät. Verzweifelt bemühte ich mich, die Kloake durch beidarmiges Wedeln etwas zu entschärfen. Der Vater des Bräutigams betrat die Bühne durch den Seitenaufgang und blieb stehen, als hätte ihm jemand eine reingehauen. Fassungslos schaute er uns an.
    «Sagt mal, was macht ihr hier oben eigentlich die ganze Zeit?»
    Es war unfassbar peinlich. Auch die Leute im Saal begangen zu ahnen, was sich in den vergangenen Stunden auf der Bühne abgespielt haben musste. Fistelmann hielt sichtlich angeekelt eine kurze Rede. Als er die Treppe hinunterging, drehte er sich nochmal um und zischte voller Verachtung:
    «Wisst ihr, was ihr seid? Schweine seid ihr, Schweine.»
    Die Stimmung war jetzt gegen mich wie nie zuvor.
    «Das hat Konsequenzen, Heinzer. Wir können froh sein, wenn wir heute überhaupt unsere Gage kriegen. Aber so einfach kommst du diesmal nicht davon.»
    «Ja, aber das konnte doch keiner ahnen, dass der hier auf die Bühne kommt.»
    «Darüber brauchen wir überhaupt nicht zu diskutieren. Dir ist klar, dass wir hier nie wieder einen Job kriegen.»
    «Meinst du wirklich?»
    Die Tafel wurde aufgelöst, und die Gäste gingen zum Kaffee nach draußen, während der Saal für das Tanzvergnügen umgebaut wurde. Wie immer bekam jetzt auch die Band ihr Hapsepapse. Stumm saugte ich am Schweinefilet. Es schien mir ratsam, den Mund zu halten.
    Jens glotzte ins Leere und rührte das Essen nicht an. Daswar ungewöhnlich, denn für den passionierten Fleischliebhaber hätte es eigentlich ein Fest sein müssen: zwei große Platten mit Schweine- und Kalbsfilet!
    «Was ist denn los mit dir? Das Fleisch ist doch gut.»
    «Ich kann nicht, mir ist schlecht.»
    «Wieso, hast du was gegessen?»
    «Ich weiß auch nicht. Eigentlich nicht.»
    Jens war weiß wie eine Wand; es schien ihn schlimm erwischt zu haben.
    «Trink doch mal ’nen Schnaps.»
    «Nee, um Gottes willen, das hilft jetzt auch nichts mehr.»
    Stumm aßen wir weiter, während Jens auf die Tischdecke starrte. Ein trauriges Mahl.
    «Heinz?»
    Ich schaute mich um, und da stand eine strahlend schöne Susanne Born. Susanne war eine meiner unerfüllten Jugendlieben gewesen, die ich wie Frauke auf einer christlichen Freizeit kennen gelernt hatte. Ich war unsterblich verliebt gewesen in sie. Ein einziges Mal haben wir besoffen
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