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Fleisch ist mein Gemüse

Fleisch ist mein Gemüse

Titel: Fleisch ist mein Gemüse
Autoren: Heinz Strunk
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mich an den Rand einer Panikattacke katapultieren. Obwohl ich schon seit Jahren keine Tabletten mehr nahm, hatte ich immer noch ein Röhrchen mit längst abgelaufenen Lexotaniltabletten dabei, für den Notfall. Ich ging ins Gasthaus zurück und wandte mich an den Wirt:
    «Äh, Entschuldigung, ein Arbeiter von Ihnen hat wohl aus Versehen mein Saxophon kaputtgefahren, jetzt wollte ich mal fragen, wie wir das machen, ich meine, mit der Versicherung und so.»
    Er hatte kein Verständnis für meine Probleme: «Was ist das denn für Scheiß? Ich hab jetzt keine Zeit. Das müssen wir nachher besprechen.»
    Und weg war er.
    Um achtzehn Uhr marschierte das Brautpaar zu den Klängen von
Auf der Lüneburger Heide
ein. Die Braut war eine unförmige Trulla mit dicken Haxen, während der Bräutigam mit seinen ausgefransten Rhabarberohren und den schiefen Zähnen im Pferdegesicht eine in diesem Landstrich weit verbreitete Physiognomie aufwies. Vor dem Suppenmarsch stand der Brautvater auf. Gläserklingeln,
klingelingeling
.
    Eine Rede, laber laber, hoch die Tassen.
    Danach gab sich das Brautpaar ein Küsschen. Plötzlich setzteder Brautvater ein verschmitztes Lächeln auf. «Ach ja, da fällt mir noch einer ein!»
    Ich habe den ersten einer langen Reihe ähnlicher Witze noch genau im Gedächtnis.
    «Kommt ein Neger zum Friseur und sagt: ‹Guten Tag, einmal Fasson bitte!› Der Friseur fängt an zu schneiden. Schnippelschnippelschnippel.»
    Das
Schnippelschnippelschnippel
sprach er mit. Bereits jetzt hörte man die Hochzeitsgesellschaft in leiser Vorfreude kichern. Ein Neger! Beim Friseur! Schnippelschnippelschnippel! Wir schauten uns an. So etwas hatten wir auch noch nicht erlebt, dass während des Hochzeitsessens Negerwitze gerissen wurden.
    «Plötzlich rutscht ihm die Klinge aus, und er schneidet dem Neger versehentlich in die Stirn. Das Blut läuft nur so herunter, aber der Neger verzieht keine Miene. Der Friseur tupft dem Neger das Blut weg, ohne etwas zu sagen. Dann geht es weiter.
Schnippelschnippelschnippel

    Der Brautvater machte sich bereits jetzt vor Lachen fast in die Hose.
    «Er schneidet einige Minuten so weiter, bis ihm die Schere erneut ausrutscht und er dem Neger diesmal in die Backe schneidet. Wiederum fließt Blut, doch der Neger bleibt immer noch regungslos. Der Friseur tupft erneut das Blut weg und setzt ungerührt den Schnitt fort. Beide sagen kein Wort. Schnippelschnippelschnippel.»
    Immer wieder
Neger
und
Schnippelschnippelschnippel
. Der Brautvater konnte vor Prusten den Witz kaum noch weitererzählen.
    «Der Friseur schneidet einige Minuten weiter, als ihm erneut die Schere ausrutscht. Diesmal schneidet er dem Neger das halbe Ohr ab. Endlich beginnt der Neger zu weinen. Da fragt ihn der Friseur:
Na, Heimweh

    Ein unfassbares Gejohle brach aus, und ich bin mir sicher, dass sich nicht wenige nass gemacht haben. Angefeuert durch diese enthusiastische Reaktion, hat der Brautvater im Laufe des Abends sein gesamtes Witzerepertoire abgearbeitet.
    Ich hatte schon den ganzen Tag Magenprobleme gehabt. Wahrscheinlich psychosomatisch. Jaja, bei Typen wie mir ist immer alles psychosomatisch. Vielleicht hatte ich aber auch nur
etwas Falsches
gegessen oder das Falsche zu schnell oder Luft geschluckt oder weiß der Henker. Jedenfalls stellten sich ausgesprochen übel riechende Blähungen ein. Das Hochzeitsmahl zog sich endlos hin, weil es neben den Witzen von Reden und selbst getexteten Liedern unterbrochen wurde. Außerdem wurde die komplette Hochzeitszeitung verlesen, was bei dem Konglomerat an Rumpelreimen wirklich kein Spaß war. Ich erleichterte mich im Minutentakt. Es roch erbärmlich. Nach dem Hauptgang war zur Auflockerung ein Zauberer engagiert worden. Ein ganz alter Zauberer, den man offenbar aus seinem verdienten Ruhestand aufgeschreckt hatte, denn er war sichtlich aus der Übung. Der große Klassiker mit den Tauben stand auch auf dem Programm. Tuch, Hut, Tauben weg, Tauben wieder da, oh là là! Leider wollten die Vögel nicht so wie er. Sie flogen davon und blieben einfach im Saalgebälk sitzen. Bräsig hockten die Viecher dort oben und ließen sich durch nichts dazu bewegen, wieder herunterzukommen. Den Leuten kam das nach den ganzen langweiligen Beiträgen natürlich gerade recht, sie bogen sich vor Schadenfreude. Der Zaubergreis versuchte die renitenten Biester doch noch zur Vernunft zu bringen, jedoch vergebens. Er war zu alt und zu schwach. Niemand machte Anstalten, ihm zu helfen. Je
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