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Fleisch ist mein Gemüse

Fleisch ist mein Gemüse

Titel: Fleisch ist mein Gemüse
Autoren: Heinz Strunk
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hochgemobbt hatte. Wie das die ersten Jahre immer klang:
Bundeskanzler Kohl!
Das passte irgendwie nicht, denn eigentlich hieß der Bundeskanzler doch Schmidt, Helmut Schmidt! Allen war klar, dass Helmut Kohl nur ein Übergangskanzler sein konnte. Doch für den Moment hatte er zusammen mit Hannelore und den beiden Söhnen das Sagen.
    Meine Situation war ausgesprochen verfahren. Ich war bereits nach einem Monat bei der Bundeswehr ausrangiert worden,weil ich den rüden Ton nicht vertrug. Eine Falte im Bettzeug, und sofort wurde man niedergebrüllt. Einerseits war ich ungeschickt, andererseits verstand ich vieles auch einfach nicht. Was zum Beispiel war eigentlich genau das Koppelschloss?
    «SANITÄTSSOLDAT STRUNK, HÄNDE VORS KOPPELSCHLOSS!»
    Nie wusste ich, was ich machen sollte, und ruderte deshalb hilflos mit den Armen. Ich war über 500   Kilometer entfernt von meiner norddeutschen Heimat in der Universitätsstadt Marburg stationiert worden. Das Straßenbild dominierten dort zwei Gruppen junger Leute: coole Studenten vornehmlich der Geisteswissenschaften, die sich rauchend und Weißwein trinkend in Cafés herumfläzten und sich über die andere Gruppe, die uncoolen Bundeswehrasis aus der Tannenbergkaserne, lustig machten. Nach Dienstschluss stürzten die durch Stiernacken und Pisspottschnitt stigmatisierten Rekruten in der Stadt aus lauter Verzweiflung schnell noch ein paar Halbe hinunter, um dann vor Erschöpfung und Angst halb wahnsinnig bereits gegen einundzwanzig Uhr in einen komatösen Schlaf zu fallen. Wir armen Sanitätssoldaten waren Menschen zweiter Klasse, Mörder in Uniform, stumpfe Prolls ohne politisches Bewusstsein. Wer nicht verweigerte, war das Letzte. Ich hatte aus Faulheit alle Fristen für die lästige Gewissensprüfung versäumt und musste mich nun ins Unvermeidliche fügen. Ein einziger Albtraum war jeden Sonntag die endlos lange Bahnfahrt vom ungefähr drei Subkontinente entfernten Harburg in die Kaserne zurück. Schrecklich, schrecklich, schrecklich, furchtbar, furchtbar, furchtbar. Ich war ein einziger Schweißausbruch. Im stets überfüllten Zug hockten im Gang die Soldatenzombies auf ihren unförmigen Reisetaschen und dämmerten mit toten Augen einer neuen Folterwoche entgegen. Je näher wir dem Quälcamp kamen, desto heftiger wurden meine Panikattacken. Die Tannenbergkaserne betrat ich jedes Mal als ein vor Todesangst schlotterndes Bündel Mensch, das seiner Auslöschung entgegensieht. Hier gehörte ich doch nicht hin! Obwohl ich schon nach drei Wochen vollkommen am Ende war, hielt ich noch eine vierte Woche durch, bis mir schließlich beim morgendlichen Stubenappell die Tränen über die Wangen pullerten. Anstatt mich auf der Stelle zu erschießen, schickte mich der Zugführer zum Stabsarzt, und bereits drei Tage später durfte ich mit dem Befund
endogene Depression
für alle Zeiten dienstuntauglich die Tannenbergkaserne verlassen.

Ich mach ein glückliches Mädchen aus dir
    Tatsächlich litt ich bereits seit längerem unter Angst und Panikzuständen. Ausgelöst worden waren diese durch ein unausgegorenes Drogenexperiment mit achtzehn. Es hatte mich immer gewurmt, dass ich noch nicht einmal richtig stoned gewesen war, während sich meine damaligen Freunde mit den abenteuerlichsten Drogenerfahrungen übertrumpften. Nie konnte ich mitreden, denn die Joints schlugen bei mir einfach nicht an. In meiner Not ließ ich mich schließlich vom Drogenpapst der Schule zu einem riskanten Selbstversuch überreden: Ich löste eine große Portion Hasch in einer noch größeren Portion starken Bohnenkaffees auf und quälte mir die abscheulich schmeckende Plörre in großen Schlucken hinein. Nach ungefähr einer Stunde setzte schlagartig die Wirkung ein: Herzklopfen, Brustschmerz, Schwindel und Erstickungsanfälle. Die typischen körperlichen Symptome einer Angstpsychose. Viel schlimmer jedoch waren die sekundären Folgen: Todesängste, Furcht vor Kontrollverlust und das Gefühl, wahnsinnig zu werden. Nie wieder habe ich derartige Höllenqualen erlitten. Nachdem ich mehrere Stunden überzeugt gewesen war, endgültig den Verstand verloren zu haben, ließ die akute Wirkung in den frühen Morgenstunden nach. Doch offensichtlich war da ernsthaft etwasdurcheinander geraten, denn ich wurde noch Monate später von abscheulichen Flashbacks heimgesucht. Daher meine Empfehlung: Hasch und Bohnenkaffee sollten unbedingt getrennt voneinander genossen werden!
    Auch meine Mutter schlug sich seit längerem schon mit
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