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Flammen des Himmels

Flammen des Himmels

Titel: Flammen des Himmels
Autoren: Iny Lorentz
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ein als Mann verkleidetes Mädchen gehalten, diesen Gedanken aber gleich wieder beiseitegeschoben. So etwas würde der Inquisitor niemals dulden. Mit einem Mal sah der junge Mann sie direkt an und lächelte freundlich. Den Ausdruck seiner Augen vermochte sie jedoch nicht zu deuten.
    Nachdem die Reiter die Straße passiert hatten, durchfuhren drei hochbeladene Fuhrwerke mit Gepäck das Tor, und die Menge begann, sich zu verlaufen. Auch Frauke wandte sich um, um nach Hause zu gehen.
    Doch Gerlind Sterken vertrat ihr den Weg. »Da Seine Exzellenz, der Inquisitor, hier erschienen ist, wird es bald ein Ende mit dir und deiner Schwester haben! Der hat schon ganz andere als euch auf den Scheiterhaufen gebracht.«
    »Gerlind, bitte!«, flehte ihr Begleiter.
    Die Bürgermeisterstochter ließ sich jedoch nicht bremsen und überschüttete Frauke mit Schmähungen, bis diese aufgewühlt davonlief.
    Unterwegs sagte Frauke sich, dass es wohl das Beste wäre, wenn ihre Familie und die anderen Mitglieder ihrer kleinen Gemeinschaft Stillenbeck umgehend verließen und an einem anderen Ort Zuflucht suchten. Jacobus von Gerwardsborn war gewiss kein Mann, der einen anderen Glauben als den von Rom verkündeten dulden würde.
    Als sie nach Hause kam, war die Mutter gerade dabei, das Abendessen aufzutischen.
    »Du kommst spät«, tadelte diese ihre Jüngste.
    »Es tut mir leid, Mama. Aber ich bin unterwegs aufgehalten worden. Ein Inquisitor ist in die Stadt gekommen. Er nennt sich Jacobus von Gerwardsborn und macht mir Angst.«
    Inken Hinrichs winkte verächtlich ab. »Du brauchst dich nicht zu fürchten. Wir sind angesehene Bürger von Stillenbeck, und solange wir so tun, als folgten wir den Lehren der katholischen Kirche, kann uns nichts passieren.«
    »Und doch müssen die Leute etwas gemerkt haben! Gerlind Sterken hat uns nämlich Wiedertäufergesindel genannt, und zwar so laut, dass der Inquisitor es gehört hat«, erklärte Frauke besorgt.
    »Gerlind Sterken ist eine unangenehme Person und ärgert sich darüber, dass unsere Silke sie in den Schatten stellt. Dabei tut deine Schwester gar nichts dazu, während Gerlind sich von ihrem Vater alle möglichen Schönheitsmittel besorgen lässt. Doch aus einem Ackergaul kann man nun mal keine edle Stute machen. Das wird auch der Inquisitor rasch merken und nichts auf ihre Worte geben.«
    Für Inken Hinrichs war die Sache damit erledigt, und sie befahl Frauke, den Eintopf zu rühren.
    Die Angst saß dem Mädchen jedoch so in den Knochen, dass sie bei jedem Geräusch hochschreckte, das von draußen hereindrang. Selbst als der Vater, ihre beiden Brüder und ihre Schwester Silke hereinkamen, hatte sie sich noch nicht beruhigt.
    »Herr Vater! Habt Ihr es gesehen? Ein Inquisitor ist in die Stadt gekommen«, sprach Frauke Hinner Hinrichs an.
    »Und wennschon! Er wird nachzählen, ob wir auch brav zur Messe gehen, und damit hat es sich.«
    »Aber als er an uns vorbeigeritten ist, hat Gerlind Sterken ganz laut gerufen, Silke und ich seien Wiedertäufer«, setzte Frauke hinzu.
    Einen Augenblick wirkte Hinner Hinrichs unsicher, dann schüttelte er den Kopf. »Thaddäus Sterken wird seiner Tochter schon den Kopf zurechtsetzen und dem Inquisitor erklären, dass das nichts als dummes Gerede ist. Gerlind würde jedem Mädchen, das hübscher ist als sie selbst, alles Schlechte nachreden – und viel hübscher als sie ist unsere Silke allemal!«
    Hinner Hinrichs betrachtete seine älteste Tochter mit einem Stolz, der so gar nicht zu der Demut passte, die sein Glaube ihm vorschrieb. Allerdings war Silke eine Schönheit, wie sie nur selten zu finden war. Obwohl sie schlicht gekleidet ging und selbst im Haus eine Haube trug, wirkte sie mit ihrem harmonischen Gesicht und den großen, himmelblauen Augen so lieblich wie ein Maientag.
    »Nein«, fuhr Hinner Hinrichs fort, »gegen unsere Silke kommt Gerlind Sterken trotz allen Reichtums ihres Vaters nicht an.«
    »Ich fürchte nicht den Reichtum ihres Vaters, sondern Gerlinds Lästerzunge«, wandte Frauke ein. »Wenn sie uns als Wiedertäufer bezichtigt, wird der Inquisitor uns befragen – und davor habe ich Angst.«
    Frauke hatte nicht vergessen, dass sie ihr letztes Heim vor gut drei Jahren fluchtartig hatten verlassen müssen, um nicht als Ketzer verhaftet zu werden. Wieso konnten sich da ihr Vater und ihre Mutter so sicher sein, dass sie in dieser Stadt endlich von allen Verfolgungen verschont blieben?
    Ihr ältester Bruder lachte über ihre Bedenken. »Vater
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