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Flammen des Himmels

Flammen des Himmels

Titel: Flammen des Himmels
Autoren: Iny Lorentz
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Exzellenz gegenüber als Hort der reinen Lehre auszugeben und jede lutherische Abweichung zu verneinen. So seid Ihr ihn am schnellsten wieder los. Vor allem aber sorgt dafür, dass der andere Bürgermeister und die Räte sich umgehend vollzählig hier einfinden und dem Inquisitor ihre Achtung und Ehrfurcht bekunden. Dies ist absolut notwendig, denn wenn er glaubt, man würde ihm diese verweigern, kann er sehr zornig werden. Ein päpstlicher Erlass und eine kaiserliche Bulle geben ihm das Recht, die Häresie in diesem Landstrich zu bekämpfen, und daher kann Seine Exzellenz Franz von Waldeck sich nicht offen gegen ihn stellen.«
    Diese Warnung musste genügen, sagte Gardner sich. Entweder waren die hiesigen Ratsmitglieder klug genug, oder sie würden sich auf eine scharfe Untersuchung gefasst machen müssen – und die konnte schlimm ausgehen.
    Dies sah Sterken ebenso und schickte den Knecht los, der ihn begleitet hatte, um die anderen Mitglieder des Rates herbeizurufen. Da sich mehr als drei Viertel bereits der lutherischen Lehre angeschlossen hatten, würde ihr Auftritt nicht ohne Heuchelei stattfinden können. Doch wenn sie nicht wollten, dass in dieser Stadt Scheiterhaufen entzündet wurden, mussten sie dem unerwünschten Gast ein glaubhaftes Schauspiel liefern. Sterken atmete noch einmal tief durch und folgte Gardner in das Zimmer des Inquisitors.
    Als sie eintraten, hielt Jacobus von Gerwardsborn die schwarze Dame in der Hand und starrte sie unverwandt an. Die Figuren waren nach seinen eigenen Vorstellungen angefertigt worden, und so stellten Mönche die Bauern, Priester die Springer, Bischöfe die Türme sowie der Papst den König dar. Die Dame jedoch war eine verkleinerte Kopie der Madonna von Santa Maria Maggiore in Rom, jener Kirche, in der er einst zum Priester geweiht worden war.
    Nun stellte er die kleine Madonna wieder auf das Spielbrett und wandte sich den beiden Herren zu. »Wer ist dieser Mann?«, fragte er unwirsch. »Eigentlich habe ich die Bürgermeister, den gesamten Rat und die Oberhäupter der Gilden erwartet.«
    »Ich … ich bin Thaddäus Sterken, zweiter Bürgermeister von Stillenbeck und Kaufherr dahier«, presste Sterken heraus.
    »Wo ist der erste Bürgermeister, wo der Rat und die anderen Honoratioren? Oder haben diese sich, vom Gift der lutherischen Irrlehre befallen, bereits von dannen gemacht?« Gerwardsborns Stimme klang wie der Schlag einer Peitsche.
    Thaddäus Sterken überlegte verzweifelt, wie er diesen zornigen Streiter des Papstes besänftigen konnte. »Nein, Eure Exzellenz, so ist es nicht. Nur waren wir nicht auf Euren Besuch vorbereitet und gingen unseren Geschäften nach. Es wird gewiss nicht lange dauern, bis die anderen Herren erscheinen.«
    »Das will ich hoffen. Doch sagt, wie steht es mit der reinen Lehre in dieser Stadt? Ist sie von der lutherschen Ketzerei befallen?«
    »Aber nein, Euer Exzellenz, wo denkt Ihr hin! Ich bin ein treuer Sohn der heiligen Kirche!« Und zwar der Lutherschen, setzte Sterken insgeheim hinzu.
    »Und die anderen Herren?«, fragte Gerwardsborn anklagend.
    »Auch sie sind, wie ich bezeugen möchte, treue Söhne der Kirche.« Sterken klang nicht sehr überzeugend, denn in ihm nagte die Angst, eines der wenigen Ratsmitglieder, die noch katholisch geblieben waren, könnte den Inquisitor gerufen haben, um den Abfall der Stadt vom römischen Glauben zu verhindern.
    Jacobus von Gerwardsborn wusste tatsächlich sehr wohl, was in den Städten des Hochstifts Münster vorging. Umso dringlicher erschien es ihm, durch sein Erscheinen und die Drohung mit dem Scheiterhaufen die Einwohner daran zu hindern, die reine Lehre zu missachten und Seelenvergiftern wie diesem Luther nachzulaufen. Gelegentlich ließ er sich auch auf einen Disput mit einem lutherischen Prediger ein, doch dies war eine einseitige Angelegenheit. Gewann er, musste der andere seinem angemaßten Priesteramt entsagen und als demütiger Diener in die katholische Kirche zurückkehren. Verlor er, so erklärte er den anderen zu einem Erzketzer und ließ ihn auf dem Scheiterhaufen enden. Von Nachsicht hielt Gerwardsborn wenig, und er war entschlossen, die Räte der Stadt und die aufmüpfigen Gilden in ihre Schranken zu weisen.
    »Ich will Euch glauben, dass Ihr die alteingesessenen Familien kennt und Euch für sie verbürgen könnt. Doch wie steht es mit jenen, die in den letzten Jahren zugezogen sind? Ihr werdet mir eine Aufstellung all dieser Leute machen, auf dass ich sie prüfen
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