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Flames 'n' Roses

Flames 'n' Roses

Titel: Flames 'n' Roses
Autoren: Kiersten White
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ich male eben gern, was mir gerade in den Sinn kommt – manchmal ist das einfach nur buntes Gekleckse –, und wenn es mir zu langweilig wird, übermale ich es wieder. Die Farbe an der Wand war mittlerweile gut und gerne fünf Zentimeter dicker als bei meinem Einzug.
    Ich zog meinen Lieblingsschlafanzug an und löste meinen dicken Zopf. Und saß dann aus irgendeinem Grund plötzlich mit einem Mikrowellenessen vor dem Fernseher, statt an den Hausaufgaben. Irgendwann musste ich weggedöst sein oder vielleicht befand ich mich auch im Halbschlaf, ich weiß nicht mehr. Aber ich bin mir sicher, dass ich träumte, weil ich plötzlich eine seltsame Stimme hörte: »Augen wie Bäche aus Schnee und aus Eis, voll Kälte – so vieles, was sie noch nicht weiß.« Wieder und wieder hörte ich diesen Singsang, er ließ mich nicht los. Es war, als zöge mich die Stimme an, als riefe sie mich zu sich. Ich wollte antworten, aber gerade als ich den Mund aufmachte, riss mich ein weiterer Alarm aus meinen Träumen.
    Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen und streckte die Hand nach meinem Bildschirm aus. Vielleicht fand ich da ja eine Erklärung, was hier los war. Aber alles, was er anzeigte, war ein blinkendes rotes ACHTUNG. Na, jetzt war ich ja schon viel schlauer. Ich schlüpfte in meinen Bademantel, schnappte mir Tasey und streckte den Kopf hinaus in den Flur. Eigentlich hätte ich laut Notfallprotokoll in meinem Zimmer bleiben sollen, aber ich wollte sehen, was da draußen los war, und zwar sofort.
    Ich rannte durch die leeren Flure. Stroboskoplicht flackerte auf, um die Paranormalen zu warnen, die den Alarm nicht hören konnten – obwohl man ihn förmlich spürte, so laut war er. Ich erreichte Raquels Tür und presste meine Handfläche auf den Scanner. Das ist das Schöne daran, ich zu sein – uneingeschränkter Zugang zu allem, die ganze Zeit. Ich schlüpfte hinein. Sie saß an ihrem Schreibtisch und blätterte in aller Ruhe durch ein paar Aktenordner.
    »Raquel«, keuchte ich. »Was ist los?«
    »Ach, mach dir darüber keine Sorgen.« Lächelnd sah sie zu mir hoch. Oder nein, das Wesen, das aussah wie Raquel, sah lächelnd zu mir hoch. Raquels Gesicht lag schimmernd über – ja, was eigentlich? Ich konnte es nicht beschreiben. Es besaß irgendwie gar keine eigenen Gesichtszüge und seine Augen hatten die Farbe von Wasser. Wenn es nicht Raquels Gesicht getragen hätte, hätte man fast meinen können, es wäre gar nicht da.
    Ich zwang mich zurückzulächeln, um meine Panik zu verbergen. »Der Krach hat mich aus dem irrsten Traum gerissen, den du dir vorstellen kannst.«
    »Tut mir leid. Ich habe hier noch ein bisschen zu tun. Flitz du mal lieber schnell wieder in die Heia.« Es wandte sich wieder den Akten zu.
    »Klar, wenn du mich hier nicht brauchst.« Ich drehte mich schon zur Tür, schlenderte dabei aber wie beiläufig näher an den Tisch heran. »Ach, Raquel?«
    »Hmm?«
    Ich stellte Tasey auf die höchste Stufe. »Das hier hast du fallen lassen.« Als das Ding mit Raquels Gesicht aufsah, machte ich einen Satz nach vorn und stieß ihm den Taser in die Brust. Schockiert riss es die wässrigen Augen auf und brach dann zusammen.
    Entsetzt ging ich um den Schreibtisch herum. Ich hatte schon von Wesen gehört, die Menschen bei lebendigem Leib auffraßen und dann in ihre Haut schlüpften. Diese Vorstellung hatte mir schon manchmal Albträume beschert, dabei wurde mein Leben tagsüber doch bereits von genügend Albträumen bevölkert. »Nicht Raquel, bitte nicht sie«, flüsterte ich und hatte Mühe, mich nicht zu übergeben.
    Raquel zerschmolz und hinterließ das seltsamste Wesen, das ich je gesehen hatte. Und das will bei meinem Job wirklich was heißen.

Nicht-Ich und Ich
    Meine Augen schienen das Wesen nicht fokussieren zu können. Immer wieder glitt mein Blick von ihm ab, als fände er nichts, an dem er sich festhalten konnte. Das Ding war nicht wirklich unsichtbar, aber fast – so unsichtbar, wie ein Wesen mit einem Körper eben sein kann. Stellt euch vor, ihr wollt einen Berg mit einer achtzigprozentigen Steigung raufmarschieren, der von einer Fünfzehn-Zentimeter-Eisschicht bedeckt ist. Ungefähr so war es, wenn man versuchte, diesen Typen anzusehen.
    Dass es ein Typ war, da war ich mir relativ sicher. Er hatte, na ja, nichts an und ich war froh, dass er so in Ohnmacht gefallen war, dass bestimmte Körperteile verdeckt waren.
    Ich hatte keine Ahnung, was ich als Nächstes tun sollte. Da schob sich die Tür auf und Raquel
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