Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
sich auf Bänken an einem langen, verschrammten Tisch vor einem Feuer niedergelassen hatten, das doppelt so groß war wie jenes im Arbeitszimmer des Prinzen. Eine Wolke von Gerüchen schlug mir entgegen: Koch- und Bierdunst, Männerschweiß, feuchte Wolle, Holzrauch und verbranntes Fett. An den Wänden reihten sich große und kleine Fässer, Räucherschinken hingen wie dunkle Schatten unter den Holzsparren der Decke. Der Tisch war übersät mit Tellern und Schüsseln. Ein gewaltiger Braten wurde aus der Reichweite der Flammen geschwenkt, Saft tropfte auf die steinerne Herdeinfassung. Bei dem würzigen Duft krampfte sich mir der Magen zusammen. Jason hob mich von der Schulter und setzte mich ohne Federlesens auf die dem Feuer nächste Ecke der Tischplatte, dicht neben dem Ellenbogen eines Mannes, dessen Gesicht hinter einem Bierkrug verborgen war.

    »Hier, Burrich«, sagte er in sachlichem Ton. »Dieser Welpe ist von nun an dein Schützling.« Er wandte sich von mir ab. Ich beobachtete aufmerksam, wie er von einem dunklen Brotlaib ein faustgroßes Stück abbrach und dann sein Messer zog, um einen Keil aus einem Rad Käse zu schneiden. Er drückte mir beides in die Hände, bevor er zum Feuer trat und anfing, eine stattliche Portion von dem Braten herunterzusäbeln. Ich ließ mich nicht erst bitten und nahm Brot und Käse in Angriff. Der mit Burrich angesprochene Mann neben mir setzte den Krug ab und schaute Jason finster an.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte er und erinnerte dabei an den Mann in dem Zimmer mit dem großen Schreibtisch. Auch er hatte schwarzes, wildes Haar und einen ebensolchen Bart, aber sein Gesicht war schmal und kantig. Nach der dunklen Tönung seiner Haut zu urteilen hielt er sich viel im Freien auf. Seine Augen waren nicht schwarz, sondern braun, seine Hände sehnig und geschickt. Er roch nach Pferden und Hunden und Blut und Leder.
    »Du sollst ihn in deine Obhut nehmen, Burrich. Prinz Veritas will es so.«
    »Warum?«
    »Du bist Chivalrics Mann, oder nicht? Sorgst für sein Ross, seine Hunde und seine Falken?«
    »Und?«
    »Und deshalb kannst du auch für seinen Abkömmling sorgen, wenigstens bis Chivalric zurückkehrt und etwas anderes bestimmt.« Jason hielt mir das Bratenstück hin. Ich sah von dem Brot in meiner rechten Hand zu dem Käse in meiner linken. Weder von dem einen noch von dem anderen mochte ich mich trennen, gleichzeitig lief mir beim Anblick des Fleisches das
Wasser im Mund zusammen. Er hatte für mein Dilemma nur ein Schulterzucken übrig und warf mit dem praktischen Sinn des Kriegers das Fleisch neben mir auf den Tisch. Ich stopfte mir den Mund voll Brot und setzte mich so hin, dass ich meinen Schatz im Auge behalten konnte.
    »Chivalrics Abkömmling?«
    Jason nickte, während er sich selbst mit Brot, Fleisch und Käse versorgte. »Behauptet der alte Landmann, der ihn hergebracht hat.« Er schichtete Fleisch und Käse auf eine dicke Brotscheibe, nahm einen großen Bissen und fuhr mit vollem Mund fort: »Er sagte, er sollte froh sein, dass er sich einer Frucht seiner Lenden rühmen könne, und sich von nun an gefälligst selbst um seinen Spross kümmern.«
    Plötzlich setzte in der Küche ein angespanntes Schweigen ein. Die Männer hörten auf zu essen, und alle Augen richteten sich auf Burrich, der bedächtig seinen Humpen vom Rand zur Mitte der Tischplatte schob. Als er antwortete, sprach er leise und beherrscht. »Wenn mein Herr keinen Erben hat, ist es Edas Wille und nicht sein Unvermögen. Prinzessin Philia ist seit je von zarter Gesundheit und …«
    »Ganz recht, ganz recht«, beeilte Jason sich, zuzustimmen. »Und dort sitzt der lebende Beweis, dass es ihm als Mann an nichts gebricht - nur das habe ich gemeint.« Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Prinz Chivalric wie aus dem Gesicht geschnitten, hat sein Bruder gerade vorhin noch gesagt. Es ist nicht die Schuld des Kronprinzen, wenn die Prinzessin Philia seinen Samen nicht austragen kann …«
    Doch plötzlich hatte sich Burrich erhoben. Jason wich hastig ein, zwei Schritte zurück, bevor er merkte, dass Burrichs Interesse nicht ihm, sondern mir galt. Der fremde Mann griff nach
meinen Schultern und drehte mich zum Feuer hin, dann umfasste er mein Kinn und hob es hoch, um mir ins Gesicht sehen zu können. Vor Schreck und Überraschung ließ ich Brot und Käse fallen. Er achtete nicht weiter darauf, sondern studierte meine Züge wie die Karte eines unbekannten Landes. Unsere Blicke trafen sich, und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher