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First Frost

First Frost

Titel: First Frost
Autoren: Jennifer Estep
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zuvor.
    »Auf jeden Fall habe ich noch Massen an Papierkram zu erledigen«, meinte sie. »Warte nicht auf mich. Wir unterhalten uns morgen früh. Ich liebe dich, Gwen.«
    Für einen Moment überlegte ich noch, sie trotzdem nach unserer Magie zu fragen, aber ich wusste, dass sie nicht antworten würde. Das tat sie nie. Außerdem hatte sie einen harten Tag gehabt. Meine Mom klang müde, also beschloss ich, sie heute Abend nicht mehr zu belästigen.
    »Ich liebe dich auch«, sagte ich stattdessen und legte auf.
    Ich wusste nicht, dass es das letzte Mal sein sollte, dass ich mit ihr sprach.
    Ich duschte, schlüpfte in meinen Pyjama und kletterte ins Bett. Grandma Frost kam ins Zimmer und steckte die Decken um mich fest, wie sie es getan hatte, als ich noch klein ge­wesen war. Sie machte das Licht aus, ich kuschelte mich in mein Kissen und schlief ein.
    Meine Träume in dieser Nacht waren sehr seltsam – angefüllt mit Schwertern, schattenhaften Figuren und einem Paar brennender roter Augen, die mir überallhin folgten, egal wie sehr ich mich bemühte, ihnen zu entkommen. In meinen Träumen rannte und rannte ich mit einem silbernen Schwert in der Hand, aber die Augen waren immer da und jagten mich. Als ich schließlich stehen blieb und mich zu ihnen umdrehte, kamen sie immer näher, umhüllten mich wie Wolken aus erstickendem Rauch, bevor sie mich verschlangen …
    Ich wachte verschwitzt auf, einen Schrei auf den Lippen. Mein Herz schlug wie wild in meiner Brust. Bumm bumm bumm. Es kostete mich ein paar Sekunden, zu verstehen, dass es ein Traum gewesen war und ich sicher und warm in Grandma Frosts Haus lag. Ich zitterte. Aus irgendeinem Grund beruhigte mich das Wissen, dass ich nur geträumt ­hatte, nicht. Nicht heute Nacht.
    Ich rollte mich herum und sah auf die Uhr neben dem Bett. Drei Uhr siebenunddreißig in der Nacht. Trotzdem wusste ich, dass ich unmöglich wieder einschlafen konnte – nicht mit dem frischen Bild dieser brennenden Augen im Kopf. Das Seltsame war, dass ich keine Ahnung hatte, woher dieses Bild kam.
    Wann immer ich einen Gegenstand berührte, wann immer die damit verbundenen Bilder und Gefühle in mir aufblitzten, wurden sie zu einem Teil von mir, und ich konnte mich immer an das erinnern, was ich gesehen hatte. Es war ein wenig wie ein fotografisches Gedächtnis. Manchmal, wenn ich schlief, surfte mein Geist durch all diese Erinnerungen und zeigte mir zufällige Ausschnitte daraus, als sähe ich gleichzeitig ein Dutzend verschiedene Filme.
    Aber ich hatte noch nie zuvor ein Paar brennend roter ­Augen gesehen – und ich hätte mich definitiv an diese Augen und ihr grausames Glühen erinnert.
    Immer noch ein wenig verschlafen kletterte ich aus dem Bett und ging Richtung Bad. Unten hörte ich Stimmen, die über die Treppe zu mir heraufwehten – leise, sanft, drängend. Mom musste es endlich nach Hause geschafft haben und unterhielt sich jetzt mit Grandma. Gut.
    Als ich im Bad fertig war, ging ich nach unten in die ­Küche, wo Mom und Grandma immer saßen, wenn sie sich nachts noch unterhielten – bei selbst gemachtem Kakao und den jeweiligen süßen Leckerbissen, die Grandma an diesem Tag gebacken hatte.
    Aber sie saßen nicht in der Küche, auch wenn die Lich-
ter brannten. Seltsam. Ich hörte auch keine Stimmen mehr, also ging ich den Flur entlang in den vorderen Teil des Hauses.
    Grandma Frost lehnte zusammengesackt an der Eingangstür. Ihre Hand lag auf der Klinke, als hätte sie die Tür gerade erst hinter jemandem geschlossen.
    »Grandma?«, flüsterte ich, und in meinem Magen breitete sich ein übles, übles Gefühl aus. »Stimmt etwas nicht?«
    Es dauerte einen Moment, bis sie sich umdrehte und mich anstarrte. Tränen rannen über ihre Wangen, füllten jede Falte, und plötzlich wirkte sie hundert Jahre alt.
    Ich war keine Hellseherin, nicht wie meine Grandma. Ich konnte nicht in die Zukunft blicken, aber irgendwie wusste ich genau, was sie sagen würde, als sie den Mund öffnete.
    »Es hat einen schrecklichen Unfall gegeben«, setzte Grandma Frost an.
    Den Rest ihrer Worte hörte ich nicht mehr.
    Ich war zu sehr damit beschäftigt, wieder zu schreien.
    Die nächsten Tage – nein, die nächsten Wochen – nahm ich in meiner Trauer kaum wahr. Meine Mom Grace war an diesem Abend auf dem Weg nach Hause in einen Unfall verwickelt worden. Ein betrunkener Fahrer war wie aus dem Nichts aufgetaucht und hatte ihr Auto seitlich gerammt, bevor er verschwand. Angeblich war meine Mom sofort
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