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Finn und der Kristall der Zeit (German Edition)

Finn und der Kristall der Zeit (German Edition)

Titel: Finn und der Kristall der Zeit (German Edition)
Autoren: Martina Konrad
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Eindrücken in sich aufzunehmen.
    Nach einer Weile bogen sie in eine ruhige Seitenstraße ein, in der sich nur wenige Häuser befanden. An einem von ihnen hing ein altes, ein wenig schiefes Holzschild, auf dem „Gasthof zum Ochsen“ stand.
    Wieder öffnete ihm Heinz die Tür und ließ in aussteigen. Lydia sah Finn forschend ins Gesicht.
    „Es ist nicht so groß und vornehm“, sagte sie dann.
    „Wir haben so schnell nichts Besseres gefunden.“
    Finn kümmerte das wenig. Da er noch nie in einem Gasthof übernachtet hatte, wusste er nicht, wie reiche Leute normalerweise in fremden Städten zu übernachten pflegten. Er sah sich begeistert um und hätte fast den Anschluss an Heinz und Lydia verpasst, die mit großer Selbstverständlichkeit den dicken Wirt begrüßten und dann die steile, dunkle Treppe zum ersten Stockwerk empor kletterten, ehe sie ein helles, aber recht enges Zimmer betraten.
    Im Zimmer befanden sich nur zwei Betten sowie ein kleiner Tisch und zwei Stühle.
    „Hier werden wir noch einige Tage verbringen“, sagte Lydia mit angewidertem Blick auf die Betten. „Dann fahren wir in die Heimat.“
    „Möchtest du ein wenig nach draußen gehen und dich umsehen?“, wollte Heinz wissen.
    Finn wollte nichts lieber als das. Begeistert nickte er.
    „Dann viel Spaß“, lächelte Lydia. „Aber verlauf dich nicht. Bleib irgendwo hier in der Nähe und komm spätestens zum Einbruch der Dunkelheit zurück.“
    „Ach, warte noch einen Moment!“
    Heinz kramte in seiner Tasche und holte ein glänzendes Geldstück hervor.
    „Hier, du wirst Hunger bekommen, wenn du unterwegs bist. Eine Straße weiter gibt es einen Bäcker, der hat ziemlich leckere Brötchen.“
    Finn starrte fassungslos auf das Geldstück. In seinem ganzen Leben hatte er kein eigenes Geld besessen, und eingekauft hatte er nur, wenn Fräulein Winter ihn schickte, etwas für das Waisenhaus zu holen. Und jetzt besaß er Geld, von dem er sich kaufen konnte, was immer er wollte. Brötchen, natürlich, aber vielleicht auch Bonbons, diese herrlich sahnigen, die der Sohn des Kaufmannes manchmal in die Schule mitgebracht hatte. Einmal hatte Gustav auch ihm ein Bonbon gegeben, im Ausgleich dafür, dass er etwas für ihn hatte tun sollen. Finn erinnerte sich nicht mehr genau daran, was es gewesen war, aber an den süßen Geschmack, an das klebrige Gefühl am Gaumen, erinnerte er sich nur zu gut.
    Benommen von all den Möglichkeiten, die dieses Geldstück ihm bot, sah Finn zu Heinz hoch.
    „Danke schön!“, stotterte er dann. Heinz lächelte.
    „Ach gerne, mein Junge“, sagte er. „Pass aber am besten auf, dass niemand das Geld sieht. Hier läuft allerhand kleines Diebesgesindel auf den Straßen herum.“
    Finn sah einen Moment an sich herunter und entschied sich dann, seinen Schatz in der  Hosentasche zu verbergen. Dann überlegte er einen Moment, ging zu seiner Tasche und holte eines der beiden Stofftaschentücher heraus, die ihm Fräulein Winter mitgegeben hatte. Das Tuch knüllte er zusammen und schob es über sein Geldstück.
    Ein Dieb, so dachte er sich, würde sich hüten, in ein benutzt aussehendes Taschentuch zu fassen.
    Heinz lachte anerkennend.
    „Gut nachgedacht!“, meinte er. „Und nun raus mit dir und viel Spaß!“
    Und schon war Finn auf dem Weg nach unten, lief hinaus aus dem kleinen Gasthof und in die helle Frühlingssonne, um die Straßen der Stadt zu erobern.
     
    Finn sah viele Menschen, einkaufend oder an den Haltestellen der Straßenbahnen wartend. Einen Moment lang überlegte er, ob er nicht auch, zum ersten Mal in seinem Leben, mit der Straßenbahn fahren sollte, aber er wusste nicht, ob sein Geld dafür reichte. Irgendwann, dachte er, irgendwann kann ich das sicher mal tun. Ich denke, meine Eltern haben genug Geld, um mir eine Straßenbahnfahrt zu bezahlen. Bei dem Gedanken musste er lachen. Vermutlich hatten seine neuen Eltern sogar zu viel Geld, um an einer Fahrt mit der Straßenbahn irgendetwas spannend zu finden. Ob sie wohl trotzdem Verständnis für seinen Wunsch hatten?
    Er kam an Schaufenstern vorbei, in denen Haushaltswaren ausgestellt waren, Kleider, dazu bestimmt, von feinen Damen getragen zu werden, Werkzeuge und Lebensmittel. Auch den Bäcker, von dem Heinz gesprochen hatte, sah er. Er erwog kurz, sich ein Brötchen zu kaufen, entschied sich aber dagegen. Wie viel schöner war doch das Gefühl, ein Geldstück in der Tasche zu haben mit all seinen unendlichen Möglichkeiten. Ein Brötchen würde er immer noch
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