finde-mich-sofort.de (German Edition)
dem Bild im Netz, spöttisch grinste und dem der Schalk aus den Augen blitzte. Er sah mit seiner viereckigen Brille wie ein Intellektueller aus. Wenn er allerdings im breitesten Berliner Dialekt drauflosredete, konnte ich mir kaum vorstellen, dass er wirklich studiert hatte. Dennoch hörte ich ihm gern zu. Was er erzählte, war interessant, unterhaltsam und witzig.
»Kotze und Kacke ähneln sich!«, rief eine schrille Männerstimme ganz in meiner Nähe. Verstört guckte ich mich um. Am Platz vor dem Nauener Tor gibt es etliche Cafés, Bars und Restaurants. An diesem sonnigen Tag waren fast alle Tische besetzt und hunderte Menschen blickten sich suchend nach dem Mann um, der immer noch kreischte: »Kotze und Kacke ähneln sich!«
»Kiek ma. Da isser!«, zeigte Berlina auf einen bartstoppeligen, abgerissen wirkenden Mittfünfziger, der durch die Tischreihen wankte.
»Ejal, wat der jenommen hat, dit war zu viel!«
»Irgendwie hat er aber recht … ähneln sich doch tatsächlich«, erwiderte ich breit grinsend.
Nach aufgeregtem Gemurmel und Gelächter der Leute um uns herum wandte sich jeder wieder seinem Tischnachbarn zu. Der Typ war genauso schnell verschwunden, wie er gekommen war.
Ich verabschiedete mich kurz auf die Toilette und musste dafür ins Restaurant. Ein schwarzgelockter italienischer Kellner schaute mich mit großen Augen an.
»Ist irgendwas?«, fragte ich.
Er zeigte in leicht geduckter Haltung verschwörerisch zu dem Tisch, an dem ich wenige Tage zuvor mit Buchhalter gesessen hatte. Dann steckte er mir die vergessene Zigarettenschachtel zu. Ich reagierte erstaunt und etwas verwirrt, mit einer so genauen Beobachtung hätte ich nicht gerechnet. Zugleich freute ich mich über die Diskretion. Ich lächelte dem Keller verlegen zu und beeilte mich, davonzuhuschen.
Kaum hatte ich mich wieder zu Berlina in die Sonne gesetzt, da erzählte er weiter von dem Buch, das er zum Thema Esoterik herausgegeben hatte, und von seinen Erfahrungen als Paartherapeut.
»Allerdings habe ick bei mir beim Thema Partnerschaft völlich vasagt. Wie lange warst du denn so mit deinen LAG s zusammen? Ick meine Lebensabschnittsjefährten«, kam er gleich zur Sache.
»Meist so drei bis sieben Jahre, oft sogar trotz Zusammenlebens«, antwortete ich nicht ohne Stolz.
»Dit halte ick für ziemlich beziehungsfähig. Ick selber bin immer nur alle zehn Jahre und dann für knapp drei Jahre mit eener Frau zusammen und habe deswejen nur zwee erwähnenswerte Beziehungen uffzuweisen!«, gab er offen zu und blinzelte in die Sonne.
Ich beobachtete, wie er auf dem Strohhalm seiner Berliner Weiße rumkaute und dachte dabei: Früher hätte ich so einen Typen wie Berlina niemals als Partner in Erwägung gezogen. Er wirkte ziemlich alternativ, arbeitete eher sporadisch und hatte nicht einmal einen Führerschein. In meiner Vorstellung konnten und wollten solche Männer gut auf Frauen und Geld, zugunsten ihrer mentalen Freiheit, verzichten.
»Wat meenste«, überlegte er, »könnten wir beede denn zusammenpassen?«
»Hm. Das weiß ich noch nicht. Immerhin hast du als Freiberufler viel Tagesfreizeit. Genau wie ich!«
Er schmunzelte über das seltsame Wort, gab aber zu, dass ich damit einen durchaus erwähnenswerten Pluspunkt auf der »Häkchenliste« genannt hatte. So eine Liste hatte auch er, wie vermutlich jeder, der auf der Suche ist, im Kopf. Neben den Vorstellungen von der äußeren und seelischen Beschaffenheit des Partners stehen da auch Dinge drauf wie Entfernung der Wohnorte oder Interessenkompatibilität. Für mich bedeutet das: Sein Foto sollte mich ansprechen und der Realität standhalten. Er sollte nicht weiter als fünfzig Kilometer von Potsdam entfernt wohnen. Sein Profil im Internet sollte frei von Rechtschreibfehlern sein. Und wenn er sich auch noch für eines meiner Hobbys interessierte – also Bücher, Reisen oder Kabarett –, dann waren gute Voraussetzungen für eine erste Verabredung gegeben. Das hieß aber noch gar nichts, und alle Häkchen waren vergessen, wenn sich die Zielperson als Goldkettchenträger erwies, nur über Fußball schwadronierte oder keinen vernünftigen Satz herausbekam. Berlina bekam zwar keine Punkte für seine Aussprache – der Dialekt war einfach zu herb –, glich aber sein Punktekonto durch Humor und Intelligenz wieder aus. Auch bei Berlina müssen nach dem ersten Nachmittagskaffee ausreichend Häkchen für mich zustande gekommen sein. Wir verabredeten uns wenige Tage später zum zweiten Mal,
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