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Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer
Autoren: Lev Grossman
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zurück in die Umarmung des schicken Restaurantsessels. Ein geheilter Süchtiger braucht nichts mehr als Geschichten darüber, wie schlimm es früher gewesen war und wie tief ein anderer Süchtiger gesunken war. Lasset den Untergang beginnen.
    Und Quentin erzählte Emily, wie tief er gesunken war. Er erzählte ihr von Alice und seinem Leben mit ihr, was sie getan hatten und wie sie gestorben war. Als er zu den Einzelheiten von Alice’ Schicksal kam, wich das Lächeln aus Emilys Gesicht und sie trank einen zittrigen Schluck aus ihrem Martiniglas. Schließlich war auch Charlie zu einem Niffin geworden. Die Ironie war verständlicherweise grauenvoll. Aber sie bat ihn nicht, aufzuhören.
    Als er geendet hatte, rechnete er damit, dass sie ihn nun genauso hasste wie er sich selbst. Und genauso, vermutete Quentin, wie sie sich möglicherweise selbst hasste. Doch stattdessen flossen ihre Augen vor Liebenswürdigkeit über.
    »Oh, Quentin«, sagte sie, langte über den Tisch und ergriff tatsächlich seine Hände. »Du kannst dir das nicht zum Vorwurf machen, wirklich nicht.« Ihr starres, schmales Gesicht strahlte tiefes Mitleid aus. »Du musst dir klarmachen, dass all das Böse, all das Traurige, dass das alles von der Magie verursacht wird! Damit haben alle deine Probleme angefangen. Niemand kann mit so viel Macht in Berührung kommen und nicht dadurch korrumpiert werden. Sie hat mich korrumpiert, Quentin, bevor ich sie aufgegeben habe. Es war das Schwerste, was ich je getan habe.«
    Ihre Stimme wurde weicher.
    »Sie hat Charlie getötet«, sagte sie leise. »Und sie hat auch die arme Alice umgebracht. Früher oder später führt die Magie zu Bösem. Wenn du das einmal einsiehst, wirst du auch lernen, dir zu verzeihen. Es wird leichter werden, das verspreche ich dir.«
    Ihr Mitleid war Balsam für sein wundes, aufgescheuertes Herz, und er sehnte sich danach, es anzunehmen. Sie bot es ihm an, es war gleich hier gegenüber am Tisch. Er brauchte nur die Hand danach auszustrecken.
    Die Rechnung kam und Quentin beglich die astronomische Summe mit seiner Firmenkreditkarte. Sie waren so betrunken, dass sie sich draußen im Foyer des Restaurants gegenseitig in die Regenmäntel helfen mussten – es hatte den ganzen Tag geschüttet. Ins Büro zurückzukehren kam gar nicht in Frage. Dafür war er nicht in der richtigen Verfassung, und außerdem wurde es bereits dunkel. Es war ein sehr langes Mittagessen gewesen.
    Draußen unter dem Vordach zögerten sie. Für einen Moment kam Emily Greenstreets merkwürdig flacher Mund seinem unerwartet nah.
    »Komm, lass uns zusammen zu Abend essen.« Ihr Blick war entwaffnend direkt. »In meiner Wohnung. Ich koche für dich.«
    »Nein, heute Abend kann ich nicht«, erwiderte er ausweichend. »Tut mir leid. Vielleicht beim nächsten Mal.«
    Sie legte ihm die Hand auf den Arm. »Hör zu, Quentin. Ich weiß, du glaubst, du wärst noch nicht bereit dazu …«
    »Ich weiß, dass ich noch nicht bereit bin.«
    »… aber du wirst niemals bereit sein. Nicht, solange du dich nicht bewusst dafür entscheidest.« Sie drückte seinen Unterarm. »Das Schlimmste ist vorbei, Quentin. Erlaube mir, dir zu helfen. Es ist kein Fehler, zuzugeben, dass man Hilfe braucht. Oder?«
    Ihre Liebenswürdigkeit war das Bewegendste, was er erlebt hatte, seitdem er Brakebills verlassen hatte. Und großer Gott, er hatte keinen Sex mehr gehabt, seitdem er damals mit Janet geschlafen hatte! Es wäre so leicht gewesen, mit ihr zu gehen.
    Aber er tat es nicht. Sogar, während sie dort standen, fühlte er etwas in seinen Fingerspitzen kribbeln, unter seinen Fingernägeln, Überbleibsel der vielen tausend Zauber, die im Laufe der Jahre durch sie hindurchgeflossen waren. Er konnte sie noch immer dort spüren, die heißen weißen Funken, die einst so ungehindert aus seinen Händen geströmt waren. Sie irrte sich: Die Magie für Alice’ Tod verantwortlich zu machen würde ihm nicht helfen. Es war zu einfach, und er hatte genug davon, es sich leicht zu machen. Es war gut und schön, dass Emily Greenstreet ihm verzieh, aber es waren Menschen, die Alice’ Tod auf dem Gewissen hatten. Jane Chatwin zum Beispiel, und er, Quentin, und nicht zuletzt auch Alice selbst. Und es waren Menschen, die dafür büßen mussten.
    In dem Moment blickte er Emily Greenstreet an und sah eine verlorene Seele, allein in einer schrecklichen Ödnis, so ähnlich, wie ihr einstiger Liebhaber, Professor Mayakowski, ausgesehen hatte, als er allein am Südpol
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