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Fey 07: Die Augen des Roca

Fey 07: Die Augen des Roca

Titel: Fey 07: Die Augen des Roca
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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dir verschiedene Möglichkeiten der Zukunft gezeigt, die alle durch dasselbe Ereignis ausgelöst wurden. Das war eine Warnung, kleiner Gabe: Alles, was du jetzt tust, bringt einen Stein ins Rollen. Jede Entscheidung …«
    »Sogar die, mit dir zu sprechen?«
    »Hierherzukommen war eine wichtige Entscheidung«, bestätigte sie. »Meine Hilfe anzunehmen, wird eine weitere sein.«
    »Warum setzt du mich unter Druck?« fragte Gabe. »Wenn es wahr ist, was du sagst, dann bist du mein Leben lang dagewesen. Warum muß ich mich ausgerechnet jetzt entscheiden? Warum nicht morgen oder übermorgen?«
    »Dies ist der Ort, an dem drei Punkte zusammentreffen, Gabe«, erklärte seine Mutter. »Bald werde auch ich nicht mehr die Wahl haben, was ich tun soll.«
    »Erklär mir das«, forderte er.
    »Das ist nicht nötig«, gab sie zurück. »In weniger als einem Tag wirst du es verstehen.«
    »Ich will es aber jetzt verstehen«, beharrte Gabe trotzig.
    Sie strich ihm zärtlich über die Wange. Ihr Lächeln war liebevoll. »Du bist mein Sohn. Und der Sohn deines Vaters. Keiner von uns beiden hatte besonders viel Geduld. Du scheinst sogar noch ungeduldiger zu sein.«
    »Also hängt deine Zukunft von meiner Entscheidung ab«, schlußfolgerte Gabe.
    Seine Mutter schüttelte den Kopf. »Von deiner Entscheidung hängt die Zukunft aller Fey ab«, sagte sie.

 
39
     
     
    Die Schamanin bestand darauf, daß sie im Dunkeln weitergingen. Sie trug eine kleine Fackel, die sie so vorsichtig hielt, als habe sie Angst, sich die Finger zu verbrennen. Die Fackel warf nur ein schwaches Licht auf den Pfad.
    Eine derartige Finsternis hatte Nicholas noch nie erlebt. Allerdings war er auch kaum jemals aus Jahn herausgekommen. In der Stadt hatte immer Licht gebrannt. Jedenfalls bevor der Schwarze König Jahn zerstört hatte.
    Der Gedanke traf Nicholas wie ein Messer ins Herz. Eines Tages würde er an seine eigenen Grenzen stoßen. Dann würde er wissen, wie viele Verluste er noch ertragen konnte, bevor sein Herz vor Kummer brach. Erst hatte er seinen Vater verloren, dann Jewel, dann Sebastian und schließlich seine Königswürde, vielleicht sogar die Blaue Insel selbst.
    Trotzdem gab er nicht auf. Noch nicht. Er wußte selbst nicht genau, warum.
    Natürlich wegen Arianna. Die Fackel der Schamanin erhellte ihre hohe, schlanke Gestalt, die vor ihm ging. Sie waren weiter bergab gewandert. Jetzt hatten sie die Baumgrenze erreicht, hohe, harzig duftende Kiefern. Die Schneefelder lagen hinter ihnen, aber auch weiter unten war die Nacht noch kalt.
    Die Schamanin behauptete, in den Bergen sei es immer kalt.
    Sie bestand auch darauf, daß sie schweigend gingen. Sie erklärte, daß es hier gefährliche wilde Tiere gab. Und obwohl sie nicht auf der Insel geboren war, glaubte ihr Nicholas.
    Die alte Frau wußte überraschend viel. Aber wann sie endlich Gabe treffen würden, erzählte sie ihm nicht. Sie drängte nur immer wieder zur Eile.
    Nicholas schleppte sich mechanisch vorwärts. Den Punkt äußerster Erschöpfung hatte er schon längst überwunden. Arianna war schon bei ihrem Aufbruch am Rand ihrer Kraft gewesen. Nicholas wußte nicht, was für eine Energie seine Tochter noch aufrecht hielt. Manchmal glaubte er, daß Arianna sich innerlich so weit von ihnen entfernt hatte, daß sie nicht mehr wußte, was sie tat. Hätte die Schamanin sie an den Rand einer Klippe gestellt und ihr befohlen zu springen, hätte Arianna ihrem Befehl vielleicht widerspruchslos Folge geleistet.
    Nicholas machte sich große Sorgen um seine Tochter. Sie war so verändert. Sie schien regelrecht dahinzuschwinden. Der Verlust Sebastians hatte sie zuviel gekostet. Daß Sebastian nicht ihr Blutsbruder gewesen war, spielte dabei offenbar keine Rolle. Er hatte ihr mehr als das bedeutet. Er war ihr Herzensbruder gewesen.
    Nicholas konnte das nur zu gut nachfühlen.
    Für ihn war Sebastian das Kind seines Herzens gewesen.
    Wieder spürte er den schneidenden Schmerz. Er holte tief Luft. Solange er Schmerzen empfand, war er noch lebendig.
    Sie folgten einem schmalen Pfad, der sich zwischen Bäumen und Felsbrocken schlängelte. In der Dunkelheit konnte Nicholas ihn kaum erkennen. Er folgte einfach Arianna. Er war dankbar für die Stiefel, die sie für ihn gestohlen hatte. Er war jetzt dankbar für kleine Dinge.
    Kleine Dinge waren alles, was ihm geblieben war.
    Kleine Dinge: Arianna, und die Hoffnung, Gabe zu finden.
    Die Hoffnung, Gabe zu finden, und die noch größere Hoffnung, die Insel
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