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Feuerwogen

Feuerwogen

Titel: Feuerwogen
Autoren: Virginia Kantra
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sie, um Zeit zu gewinnen.
    »Dann schluck die Tabletten.« Ein Anflug von Ungeduld leckte an der Stimme des Dämons wie eine Flamme an Papier.
    Sie brauchte ein Ablenkungsmanöver, erkannte Regina. Sie musste hier raus. Sie holte tief Luft, packte den Becher mit Wasser noch fester und warf ihn dem Dämon mitten ins Gesicht.
    Donna Tomah schmolz nicht wie die böse Hexe des Westens dahin, wie Regina halb gehofft hatte. Sie zuckte nicht einmal zusammen. Auch wischte sie sich nicht das Gesicht ab. Dass diese kleine menschliche Geste ausblieb, versetzte Regina einen Stich in die Brust. Ihr Puls dröhnte in ihren Ohren.
    Sie starrten einander an, während das Wasser Donnas Wangen hinabrann und von ihrer Nase auf ihren weißen Kittel tropfte. Unter dem größer werdenden Wasserfleck trug sie ein hübsches, blau geblümtes T-Shirt.
    Die Teufelsfrau blinzelte einmal, ein eidechsenartiges Zucken der Augenlider. »Ich ziehe die Spritze auf.«
    Sobald sie ihr den Rücken zuwandte, stürzte Regina zur Tür.
    Abgeschlossen.
    Regina rüttelte am Knauf. Trat gegen die Tür. Es gab keinen Riegel, kein sichtbares Schloss. Doch der Knauf drehte sich nutzlos in ihrer Hand. Die Tür rührte sich nicht.
    Sie warf einen Blick über die Schulter, während die teuflische Frau sich umdrehte, die Spritze in der Hand.
    Scheiße,
dachte Regina, als die Ärztin mit der gezückten Kanüle auf sie losging.
     
    Dylan hielt Nicks Hand, während sie hügelan zum Restaurant liefen. Er brauchte die Berührung ebenso sehr wie der Junge.
    Das Gefühl, dass etwas nicht stimmte, hatte sich verstärkt, seitdem sie den Bunker auf der Insel verlassen hatten. Es klopfte wie Kopfschmerzen an der Schädelbasis, schnürte ihm die Eingeweide zusammen, fuhr ihm in die Füße.
    Neben ihm stolperte Nick.
    Dylan biss die Zähne zusammen und widerstand dem Drang, ihn hochzuheben und mit ihm wie mit einem Football loszurennen. Der Junge war genug durchgeschüttelt worden für eine Nacht. »Geht es dir gut?«, fragte er zum fünften oder fünfzigsten Mal in dieser Stunde.
    Nick reckte das Kinn in einer Art vor, die Dylan an Regina erinnerte. »Klar. Ich bin hart im Nehmen«, prahlte er.
    Das hatte Dylan ihm auf dem Boot gesagt. »Ganz schön hart im Nehmen«, hatte er ihn gelobt, und der Junge hatte gegrinst und sich an ihn gelehnt.
    Nun verwuschelte Dylan ihm das Haar und passte seine Schritte den viel kürzeren Beinen des Jungen an. »Ein echter Held.«
    Nick schlurfte die Straße entlang. »Aber ich habe nichts gesehen«, sagte er im Dunkeln zu seinen Schuhen. »Ich habe nichts getan, um sie aufzuhalten.«
    Dylan hatte die Fragen zum Tathergang für seinen Bruder, den Polizeichef, aufgehoben. Aber er hatte genug gehört, um sich zusammenzureimen, dass Nicks Entführer den Jungen im Augenblick der Gefangennahme betäubt haben musste. Es war eine Gnade für den Kleinen, dachte Dylan. Und ein verfluchter Nachteil für den Rest von ihnen. Wenn da draußen noch jemand besessen war und eine Bedrohung darstellte, dann musste man sich um ihn kümmern.
    »Du hättest nichts tun können«, sagte er, während er das Kind vorwärtszog. Es war jetzt nicht mehr sehr weit. »Es ist schwer, sich zu wehren, wenn man bewusstlos ist.«
    Nick sah ihn von der Seite an. »War das Jericho?«
    Dylan hörte die Angst in der Stimme des Jungen und versuchte, ihn zu beruhigen. »Nein. Jericho sitzt im Gefängnis.«
    »Wird der, der es war …« Nicks Stimme zitterte. »Wird er zurückkommen?«
    Dylan verstärkte seinen Griff um die kleine Hand des Kindes. »Nein«, sagte er knapp und fest.
    Und wenn er dafür jedes Gebäude, jeden Fels und jeden Baum auf der Insel mit einem Schutzzauber belegen musste. Er konnte Monate hier festsitzen. Jahre.
    Diese Aussicht störte ihn nicht so sehr, wie sie es hätte tun sollen.
    Sie erreichten die Hauptstraße der Stadt mit all den geparkten Autos, den stillen Schaufenstern und Blumenkästen, die ihren Duft in der Dunkelheit verströmten. Dylan konnte die rote Restaurantmarkise und die Fenster von Reginas Wohnung sehen, die wie das Versprechen auf ein Zuhause leuchteten. Seine Schritte wurden länger.
    »Ich bin schuld«, platzte Nick in Dylans angenehme Phantasien darüber, wie genau Regina ihm ihre Dankbarkeit für die Befreiung ihres Sohnes demonstrieren würde. »Ich habe mich entführen lassen.«
    Dylan legte die Stirn in Falten. Dafür war jetzt keine Zeit. »Nein, hast du nicht. Die Entführer waren größer und stärker als du.« Unsterblich.
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