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Feuertochter: Roman (German Edition)

Feuertochter: Roman (German Edition)

Titel: Feuertochter: Roman (German Edition)
Autoren: Iny Lorentz
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hochgewachsene Gestalt seiner Schwester hatten ihn überrascht. Sie war nicht mehr das kleine, spitznasige Mädchen aus seiner Erinnerung. Während die meisten Mitglieder ihrer Familie rötliche oder blonde Haare hatten, war sie mit pechschwarzen Haaren geboren worden und hatte davon ihren Namen erhalten. Zwar waren ihre Haare immer noch dunkel, doch im hellen Sonnenschein schimmerten sie rot. Aus der dürren Vierzehnjährigen, die er in Erinnerung hatte, war eine junge Frau mit hellgrauen Augen, einem herzförmigen Gesicht und einer tadellosen Haltung geworden.
    Als er auf sie zutrat, bemerkte er, dass sie nicht ganz so groß war, wie er auf den ersten Blick befürchtet hatte, denn sie reichte ihm gerade bis zur Nasenspitze. Nur ein klein gewachsener Mann würde von ihr überragt werden, und das vergrößerte die Anzahl möglicher Ehemänner beträchtlich. Er wusste allerdings immer noch nicht, wem er einmal ihre Hand geben sollte.
    »Schön, dich wiederzusehen, Kleines«, sagte er, als sie ihn stumm anschaute.
    Da nun Aodh Mór O’Néill neben ihren Bruder trat, versank Ciara in einen tiefen Knicks, wie er dem mächtigsten Mann in Uladh und womöglich in ganz Irland angemessen war. Auch wenn sie ihre Jugend in einem abgelegenen Turm an der öden Küste von Tir Chonaill verbracht hatte, sollte der O’Néill sehen, dass sie sich wie eine Edeldame zu benehmen wusste.
    Der Earl of Tyrone, den die Engländer Hugh O’Neill nannten, betrachtete das junge Mädchen so, als habe er eine junge Stute vor sich, deren Wert er abschätzen musste.
    Schließlich nickte er zufrieden. »Ihr habt ein prächtiges Füllen in Eurem Stall, O’Corra. Da werden die jungen Hengste bald herbeikommen und um Eure Schwester freien. Ich rate Euch dringend, bei der Wahl ihres Bräutigams sehr gut achtzugeben. Mir erscheint der Sohn eines Stammesführers in An Mhuma oder im Süden von Chonnacht am besten für sie geeignet zu sein.«
    Obwohl seine Worte im freundlichen Ton gesprochen waren, entging Oisin O’Corra die Warnung nicht, die in ihnen lag. Aodh Mór O’Néill hatte ihm soeben deutlich klargemacht, dass er keine Verbindung zwischen den Ui’Corra und einer Familie in Uladh oder aus der direkten Nachbarschaft seines Herrschaftsgebiets wünschte.
    »Ich habe mir noch keine Gedanken über einen möglichen Schwager gemacht, Sir«, antwortete er ausweichend. Über Ciaras Stirn huschte ein Schatten, als ihr Bruder den Gast mit einem englischen Titel anredete. Gerüchteweise hatte sie bereits vernommen, dass Aodh Mór O’Néill sogar stolz auf seine englischen Ränge sein sollte, die ihn über die Rís und Taoiseachs der anderen Clans hinaushoben. Doch davon durfte sie sich ebenso wenig beeindrucken lassen wie von der Tatsache, dass ihr Gast diese Burg hier vor knapp zwanzig Jahren als Verbündeter ihres Todfeinds Richard Haresgill betreten hatte.
    »Seid mir willkommen im Heim der Ui’Corra«, begrüßte sie den O’Néill und wies mit einer einladenden Geste auf die Eingangstür der Halle.
    Obwohl der Earl of Tyrone zustimmend nickte, eilten mehrere seiner Gefolgsleute voraus, um sicherzustellen, dass sie nicht doch ein Hinterhalt erwartete. Ciara fragte sich, vor wem sich Aodh Mór O’Néill am meisten fürchtete, vor den Engländern, auf deren Seite er so lange gekämpft hatte und die ihn nun als Verräter ansahen, oder vor den Iren, denen jene Zeit im Gedächtnis geblieben war. Doch es brachte nichts, die alten Rechnungen aufzutischen. Wenn ihr Clan seine Heimat behalten wollte, mussten sie so manche Kröte schlucken, selbst wenn sie so groß war wie das Oberhaupt der Ui’Néill.
    Beim Betreten der Halle kniff der Earl verwundert die Augen zusammen, denn er konnte sich gut vorstellen, in welchem Zustand Richard Haresgill die Burg zurückgelassen hatte. Saraid und ihren Mitstreiterinnen war es jedoch gelungen, die Halle in der kurzen Zeit zu säubern. An den Wänden aufgehängte Büschel mit Heidekraut sorgten für einen angenehmen Duft, auf der frisch polierten Tafel standen Hammeleintopf und Lammbraten, und eben füllte eine junge Magd die Becher mit schäumendem Met.
    Ciara bewunderte die Findigkeit ihrer Cousine, denn die Engländer hatten die meisten Vorräte verschmutzt und unbrauchbar gemacht. Auch viele der Met- und Bierfässer im Keller hatten die Abziehenden vorher noch zerschlagen. Saraid hatte kurzerhand die meisten Mägde und Tagelöhnerinnen, die Haresgill zurückgelassen hatte, um sie nicht durchfüttern zu müssen,
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