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Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)

Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)

Titel: Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
Autoren: Halo Summer
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jetzt so hoch, dass sie nicht mal die ersten Äste oder Zweige erhaschen konnten. Über ihnen war Nebel und unter ihnen war der Pfad in einem großflächigen Sumpf verschwunden.
    „Wir sollten umkehren, Wolf!“, sagte Geraldine, die wie Wolfgang nass bis auf die Haut war. „Nein!“, widersprach Wolfgang, obwohl er auch nicht weiterwusste. Es war kein Weg mehr zu sehen, sie waren völlig verloren in diesem Wald.
    „Wohin sollen wir sonst gehen? Hier ist nichts ! Nur Wasser, Nebel und riesige Bäume!“
    „Jemand muss doch das Rohr gelegt haben, durch das wir gekommen sind.“
    „Ja, vor hundert Jahren vielleicht!“
    „Außerdem war da der Pfad! Wenn er seit hundert Jahren nicht benutzt worden wäre, wäre er längst zugewachsen.“
    Geraldine war gerade nicht aufgeschlossen für gute Argumente. Ihr war kalt, sie war nass und sie hatte Hunger.
    „Ich will jetzt zurück!“, rief sie drohend. „Hast du schon ein Tier gesehen? Oder einen Käfer? Hast du irgendeinen Vogel singen hören? Hast du überhaupt schon irgendwas außer uns gesehen, das LEBT?“
    Sie hätte das vielleicht nicht fragen sollen. Denn jemand oder etwas schien sie belauscht zu haben und wollte Geraldines Frage anschaulich beantworten. Es senkte sich aus dem Nichts des Nebels herab, langsam und still, an einem silbrig schimmernden Faden. Es hatte Augen, oh so viele Augen! Doch Geraldine schrie nicht. Sie starrte nur. Ebenso wie Wolfgang, der sich nicht entscheiden konnte, ob das, was er sah, schön schrecklich oder schrecklich schön war.
    Das Geschöpf am Faden hörte auf, sich herabzusenken, als es auf der Höhe von Wolfgang und Geraldine angekommen war. Hier schwebte es und blickte sie aus vielen blauen Augenpaaren an. Das Geschöpf war sicherlich eine Frau – von welcher Art auch immer. Hätte Wolfgang sie beschreiben müssen, hätte er gesagt, dass sie aussah wie eine Mischung aus einer weißen Riesenspinne und einer schönen, hellhäutigen Frau.
    „Wer seid ihr denn?“, fragte sie in einer Sprache, die Wolfgang und Geraldine nicht verstanden. Jedenfalls nicht deren Worte. Aber etwas tat sich in ihren Köpfen. Es war, als ob diese klangvolle Stimme Bilder und Gefühle in ihrem Geist hervorrufen könnte. Bilder und Gefühle versteht man immer – man braucht keine Sprache dazu.
    „Ihr seid wohl nicht von hier!“, stellte das gruselig schöne Geschöpf am Faden fest. „Sonst würdet ihr mich … nicht so fragend ansehen …“
    Sie lächelte. Es war ein hübsches, doch kein vertrauenerweckendes Lächeln. Wolfgang bemerkte spitze Stacheln an den vier Handgelenken der Frau. Diese Handgelenke tanzten wie in Zeitlupe durch die Luft, während das vieläugige Geschöpf sachte an seinem silbernen Faden hin- und herschwebte.
    „Mein Name ist Alabastra“, sagte sie. Damit sie auch ganz bestimmt verstanden wurde, wiederholte sie den Namen mit ihrer melodiösen Stimme noch einmal laut und deutlich. „ALABASTRA! Wie heißt ihr?“
    Wolfgang wollte keine Angst zeigen. So entschlossen, wie er es vermochte, zeigte er auf seine Schwester und antwortete:
    „Sie heißt Geraldine.“
    „GERALDINE!“, wiederholte das Geschöpf am Faden.
    „Und ich … ich heiße Gangwolf.“
    Geraldine schaute ihren Bruder überrascht an. Gangwolf? So nannte er sich immer, wenn sie Drachenjagd spielten. Geraldine war in diesen Spielen Fräulein Geraldine, die Hofdame, die vom Drachen gestohlen wurde und gerettet werden musste. Wolfgang übernahm das Heldengeschäft: Als listiger und mutiger Krieger Gangwolf brachte er dem Drachen Manieren bei. Oder auch nicht. Manchmal schlüpfte Geraldine spontan in die Rolle des Drachen und überwältigte Gangwolf, wenn sie das Gefühl hatte, dass ihrem Bruder sein Heldentum mal wieder zu Kopf gestiegen war.
    „GANGWOLF!“
    Die Spinnenfrau sprach es so schön und klar aus, dass es Wolfgang vorkam wie die reine Wahrheit. Hier, an diesem Ort, war er Gangwolf. Der mutlose, traurige Wolfgang, der sich im Schrank versteckt hatte, gehörte einer anderen Welt an.
    „Wo sind wir hier?“, fragte er.
    Sie sah ihn mit ihren vielen Augenpaaren aufmerksam an. Ob sie ihn verstand?
    „AMUYLETT“, sagte sie. „Im Wald, den man den bösen Wald nennt. Er ist sehr groß. Ihr habt Glück, dass ihr mich gefunden habt.“
    Sie tanzte mit ihren feingliedrigen, weißen Händen durch die Luft und mehrere silberne Fäden wuchsen wie dünne Seile in die Tiefe. Sie wickelten sich sanft um Geraldines und Wolfgangs Handgelenke.
    „Haltet euch gut
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