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Feuerklingen (First Law - Band 2)

Feuerklingen (First Law - Band 2)

Titel: Feuerklingen (First Law - Band 2)
Autoren: Joe Abercrombie
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sechs auf das dunkle Ding in Ferros Händen, und niemand bewegte sich, niemand sprach, und nichts war zu hören außer dem schneidenden Wind. Da war es, direkt vor ihnen. Dieses Ding, weswegen sie so weit gereist waren, dessentwegen sie so viele Gefahren überwunden hatten. Das Ding, das Glustrod vor so vielen langen Jahren aus der Tiefe ausgegraben hatte. Das Ding, das die größte Stadt der Welt in eine verfluchte Ruine verwandelt hatte.
    Der Samen. Die Andere Seite, fleischgeworden. Magie in ihrer reinsten Form.
    Dann runzelte Ferro die Stirn. »Das ist es?«, fragte sie zweifelnd. »Dies ist das Ding, das Schaffa zu Staub zerfallen lassen wird?«
    Tatsächlich sah es – nun, da Jezal den Schreck überwunden hatte, den ihm das plötzliche Auftauchen eingejagt hatte – wirklich nur aus wie ein Stein. Ein unauffälliges Stück grauer Fels, etwa so groß wie eine Faust. Es vermittelte kein Gefühl überirdischer Gefahr. Keine tödliche Macht war zu spüren. Keine zerstörerischen Strahlen oder Lichtblitze gingen von ihm aus. Dem Anschein nach war es tatsächlich nichts weiter als ein Stein.
    Bayaz blinzelte. Er schob sich auf allen vieren näher heran. Er sah auf das Ding in Ferros Händen. Dann fuhr er sich über die Lippen, hob ganz langsam die Hand, während Jezal ihm gespannt zusah und ihm das Blut in den Ohren pochte. Bayaz berührte den Stein mit der Spitze seines kleinen Fingers und zuckte sofort wieder zurück. Und er verdorrte nicht, er wurde nicht zu Staub. Nun stupste er das Ding noch einmal an. Es gab keine donnernde Explosion. Er drückte die Handfläche dagegen. Er schloss seine Finger darum. Er hob es hoch. Und immer noch sah es so aus, als sei es nichts weiter als ein Stein.
    Der Erste der Magi starrte auf das Ding in seiner Hand, und seine Augen weiteten sich immer mehr. »Das ist es nicht«, hauchte er mit bebenden Lippen. »Es ist nur ein Stein!«
    Es herrschte verblüfftes Schweigen. Jezal starrte Logen an, und der Nordmann blickte zurück; sein vernarbtes Gesicht trug einen verwirrten Ausdruck. Jezal starrte Langfuß an, der Wegkundige zuckte nur mit den knochigen Schultern. Jezal starrte Ferro an und sah, wie sich ihr Gesicht immer mehr verfinsterte. »Nur ein Stein?«, machte sie.
    »Das ist es nicht?«, zischte Quai.
    »Dann …« Allmählich dämmerte Jezal die Bedeutung von Bayaz’ Worten. »Ich habe den ganzen Weg … für nichts zurückgelegt?« Eine plötzliche Bö blies das mickrige Feuer aus und schleuderte ihm grobkörnigen Sand ins Gesicht.
    »Vielleicht war es ein Irrtum«, schlug Langfuß vor. »Vielleicht gibt es noch einen anderen Geist, der ein anderes …«
    »Nein, das war kein Irrtum«, sagte Logen und schüttelte zur Bekräftigung den Kopf.
    »Aber …« Quai traten die Augen aus dem aschgrauen Gesicht hervor. »Aber … wie?«
    Bayaz achtete nicht auf ihn. Seine Kiefermuskeln mahlten. »Kanedias. Da hat er die Hand im Spiel gehabt. Er muss einen Weg gefunden haben, seine Brüder zu überlisten, dieses Nichts gegen den Samen auszutauschen und ihn für sich zu behalten! Selbst im Tod trotzt mir der Meisterschöpfer!«
    »Bloß ein Stein?«, knurrte Ferro.
    »Ich habe die Möglichkeit aufgegeben, für mein Land zu kämpfen«, murmelte Jezal, und Empörung machte sich in seiner Brust breit, »und ich bin Hunderte von Meilen durch ödes Land gereist, wurde geschlagen und gezeichnet … für nichts?«
    »Der Samen.« Quai bleckte die Zähne, und der Atem fuhr ihm hastig durch die Nase. »Wo ist er? Wo?«
    »Wenn ich das wüsste«, bellte sein Meister, »glaubt Ihr, dass wir hier dann noch auf dieser verlassenen Insel herumsäßen und mit Geistern um einen wertlosen Stein handelten?« Damit erhob er den Arm und schleuderte den Stein wütend auf den Boden. Er zerbrach in viele kleine Stücke, und sie sprangen und rollten und klapperten zu den vielen hundert anderen, den tausend anderen, den Millionen anderen, die genauso aussahen.
    »Er ist nicht hier.« Logen schüttelte traurig den Kopf. »Eins kann man aber wirklich sagen …«
    »Nur ein Stein?«, gurgelte Ferro, und ihre Augen huschten von den kleinen geborstenen Bruchstücken zu Bayaz hinüber. »Du verdammter alter Lügner!« Sie sprang auf, die Fäuste geballt. »Du hast mir meine Rache versprochen!«
    Bayaz drehte sich zu ihm um, das Gesicht vor Wut verzerrt. »Meinst du, ich hätte jetzt keine anderen Sorgen als deine
Rache
!«, brüllte er, und kleine Speicheltröpfchen flogen von seinen Lippen in den rauschenden
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