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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut
Autoren: James Rollins
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hatte seinen besten Freund getötet. Ihm sollte das nicht passieren.
    Er sprang aus der Höhle und floh in die Welt hinaus.

2
30. Mai, 10:38
High Uintas Wilderness, Utah
    NICHTS SORGTE FÜR einen solchen Rummel wie ein Mord.
    Margaret Grantham schritt durch das provisorische Lager, das man auf einer Bergwiese mit Ausblick auf die Schlucht errichtet hatte. Sie schnaufte ein wenig in der dünnen Luft, und von der Kälte schmerzten ihr die arthritischen Knöchel. Ein Windstoß hätte ihr beinahe den Hut vom Kopf gerissen, doch sie hielt ihn fest und steckte ein paar graue Haarsträhnen darunter fest.
    Die Zelte nahmen eine Fläche von mehreren Morgen ein, die einzelnen Gruppen, angefangen von den Gesetzeshütern bis hin zu den Medienvertretern, waren deutlich sichtbar voneinander abgegrenzt. Eine Einheit der Nationalgarde sollte für Ordnung sorgen, erhöhte aber allein durch ihre Anwesenheit die Spannungen.
    In den vergangenen zwei Wochen waren, angelockt von der Kontroverse, Gruppen amerikanischer Ureinwohner aus dem ganzen Land zu Fuß oder zu Pferd an diesen abgelegenen Ort geeilt. Verschiedene Organisationen waren vertreten: NABO, AUNU, NAG, NCAI. Alle hatten sich einem einzigen Ziel verschrieben: die Rechte der amerikanischen Ureinwohner zu schützen und das Stammeserbe zu bewahren. Unter den Zelten waren auch Tipis vertreten, die von den konservativeren Gruppierungen errichtet worden waren.
    Maggie beobachtete kopfschüttelnd, wie am Rande des Lagers ein Helikopter der Medienberichterstatter landete. Das öffentliche Interesse machte alles nur noch schwieriger.
    Sie lehrte Anthropologie an der Brigham Young University und hatte die Utah-Abteilung der Indianerbehörde gebeten, beim Streit um die Funde in dieser Gegend zu vermitteln. Da sie seit dreißig Jahren für die Öffentlichkeitsarbeit des universitären Indianerprogramms verantwortlich war, wussten die einheimischen Stämme, dass sie sich für ihre Interessen einsetzte. Außerdem hatte sie schon häufig mit dem bekannten Schoschonenhistoriker und Naturforscher Professor Henry Kanosh zusammengearbeitet.
    So auch jetzt wieder.
    Hank, wie Henry genannt wurde, erwartete sie an dem Pfad, der zu dem Höhlensystem hinunterführte. Auch er war mit Stiefeln, Jeans und Kakihemd bekleidet. Das angegraute Haar hatte er sich zum Pferdeschwanz zurückgebunden. Sie war eine der wenigen, die seinen Indianernamen kannte: Kaiv’u wuhnuh bedeutete Stehender Berg. So wie er dastand, erschien der Name ausgesprochen passend. Obwohl er auf die sechzig zuging, wirkte er mit seinen eins dreiundneunzig noch immer durchtrainiert. Seine wie in Granit gemeißelten Züge wurden allein durch seine goldgesprenkelten braunen Augen gemildert.
    Sein Hund – ein stämmiger, wandererprobter australischer Hütehund mit einem blauen und einem braunen Auge – saß neben ihm. Er hieß Kawtch, was in der Sprache der Ute »nein« bedeutete. Lächelnd rief Maggie sich Hanks Erklärung ins Gedächtnis: Als er noch klein war, habe ich ihn so oft angeschrien, dass der Name irgendwie hängen geblieben ist.
    »Na, wie läuft’s denn so?«, sagte Hank zur Begrüßung, als sie ihn kurz umarmte.
    »Nicht so gut«, antwortete sie. »Und es wird eher schlimmer.«
    »Wie das?«
    »Ich habe eben mit dem County-Sheriff gesprochen. Das Ergebnis der toxikologischen Untersuchung des Großvaters ist eingetroffen.«
    Hank biss auf die Zigarre, die zwischen seinen Zähnen klemmte. Er zündete sie nie an, sondern kaute nur darauf herum. Tabakgenuss war den Mormonen verboten, aber manchmal musste man eben Zugeständnisse machen. Obwohl er ein reinblütiger Ureinwohner war, hatte man ihn als Mormonen erzogen, denn er gehörte einem im Nordwesten beheimateten Schoschonenstamm an, der im neunzehnten Jahrhundert nach dem Massaker vom Bear River christianisiert worden war.
    »Und was steht in dem Bericht?«, fragte er.
    »Der alte Herr wurde positiv auf Peyote getestet.«
    Hank schüttelte den Kopf. »Na großartig. Das ist ein gefundenes Fressen für die Hyänen von den Medien. Ein verrückter Indianer auf Drogen killt im religiösen Wahn erst seinen Enkel und dann sich selbst.«
    »Die Einzelheiten sind noch unter Verschluss, aber irgendwann wird es rauskommen.« Sie seufzte resigniert. »Die Reaktion auf den ersten Bericht war schon schlimm genug.«
    Als Erstes hatte die County-Polizei den Tatort untersucht. Da es einen Augenzeugen gab – den Freund des ermordeten jungen Mannes –, war der Fall rasch abgeschlossen
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