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Feuerflügel: Roman (German Edition)

Feuerflügel: Roman (German Edition)

Titel: Feuerflügel: Roman (German Edition)
Autoren: Kenneth Oppel
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Schatten und den Pilgern bebten die Hügel, schwollen an, begannen dann, sich zu Bergen aufzutürmen. Diese stiegen mit unwirklicher Geschwindigkeit hoch, schossen aus den Gebeinen der Erde in einen Geysir aus Geröll und Staub. Hundert Flügelschläge vor ihnen erhob sich die Wand einer Klippe und versperrte ihnen den Weg.
    „Nein!“, rief Schatten, als er sah, dass Java sich aufrichtete, um Höhe zu gewinnen. „Es dauert zu lange, darüber zu fliegen!“
    „Was dann?“
    „Direkt hindurch.“
    „Wie?“, schrie Yorick ungläubig.
    „Bist du sicher?“, fragte Java zweifelnd.
    „Ja!“ Schatten schluckte. Er war keineswegs sicher. Er betrachtete die Felswand, auf die sie zuschossen. Sie sah so wirklich aus, so massiv.
    Nur Klang. Gerade mal Klang. Lenk ihn ab.
    Zehn weitere Flügelschläge würden ihn gegen die Oberfläche der Klippe schleudern. Er bohrte mit Klang in den Fels und stürzte voran. Der Lärm war ohrenbetäubend, als er sich durch den Berg bohrte. Die Tunnelwände schossen überall an ihnen vorbei, sahen fest aus wie wirklicher Fels. Doch Zentimeter vor seiner Nase schmolz der Fels durch seine Klangsalve dahin.
    Hinter sich konnte er Yorick vor Entsetzen brüllen hören. Schattens Kehle war so wund, dass er Blut schmecken konnte, aber Wut dämmte seine Erschöpfung ein. Er würde sich nicht zurückhalten lassen; er würde stoßen und stoßen, bis sie auf der anderen Seite herauskamen. Und beim BAUM würde Zotz keine Macht mehr haben.
    Es knackte in seinen Ohren, als sie durch den Berg in die freie Luft hinausstießen.
    Vor ihnen befand sich der BAUM.
    Greif machte einen weiten Bogen um den Stamm und wartete, bis er das Astloch in einer geraden Linie ansteuern konnte. Die Vorstellung, an all dieser brennenden Rinde vorbeizufliegen, gefiel ihm nicht, er wollte die Hitze nicht spüren oder von einem dieser unvorhersehbaren Flammenausbrüche getroffen werden. Außerdem wollte er nicht, dass Luna noch mehr Angst bekam, als sie sowieso schon hatte.
    Da. Direkt vor ihnen befand sich das Astloch, und er war sicher, dass er einen Sog spüren konnte, der ihn dort hineinzog.
    „Wir fliegen nun hinein“, erklärte er Luna.
    „Sag nichts weiter, okay.“ Die Augen hielt sie immer noch fest geschlossen. „Lass es uns einfach tun.“
    „Wenn wir erst hineinkommen ...“, fing er an und wusste nicht, wie er den Satz beenden sollte. Er wusste nicht, was passieren oder wohin sie beide kommen würden, aber er vermutete, an verschiedene Orte.
    Er rückte näher an Luna heran und drückte ihre kühle Wange an seine.
    „Danke, Greif. Dass du mich so weit gebracht hast.“ „Ich denke, überwiegend hast du mich gebracht.“
    „Ich werde dich wiedersehen. Denk daran, alle Leute, die ich liebe, werden dort sein. Das hast du gesagt.“
    „Jawohl“, antwortete er. „Das stimmt.“
    „Vielleicht nicht sofort, aber bald.“
    „Greif!“
    Mit freudiger Überraschung drehte er sich um und erblickte seinen Vater, der auf ihn zugeflogen kam.
    „Papi!“ Er führte Luna in einer weiten Kurve zu seinem Vater. „Das ist schön“, sagte er. „Es ist so schön, dass du am Leben bist! Und hier!“
    „Mein Sohn“, sagte sein Vater, und dann schien sein Fell zu schimmern und zu verrutschen, fiel von seinem Körper ab im gleichen Maße, wie dieser sich riesenhaft vergrößerte.
    „Papi?“, schrie Greif.
    Und dann stürzte sich sein Vater, der nicht sein Vater war, auf ihn.
    „Nein!“, brüllte Schatten von oben. Er schlug so heftig mit den Flügeln, dass er das Gefühl hatte, sie würden ihm die Brust zerreißen. Er sah Goth, sah, wie seine Klang-Verkleidung zerriss, wie er auf seinen Sohn zuflog, dessen Namen rief und wie Greif auf Goth zuflog.
    „Greif, nicht!“, brüllte Schatten, aber es war zu spät. Goth hielt seinen Sohn in den Klauen, seine Kiefer drangen in ihn ein und zerrten. Luna wedelte wild um Goth herum, schlug auf die Kannibalenfledermaus ein, aber der Vampyrum achtete nicht auf sie, so sehr konzentrierte er sich auf sein mörderisches Tun.
    „Goth!“, brüllte Schatten, als er hinabstieß. Nie im Leben hatte er solche Wut empfunden. Er schrie, ohne zu wissen, was er schrie. Die Welt bestand nur noch aus wahnsinnigem Lärm, der ihm den Schädel zu sprengen drohte. Er musste schneller sein. Im Kopf hatte er nur zwei Worte: Lass mich!
    Ein blendendes Licht strudelte plötzlich aus dem Körper seines Sohnes mit einem reinen, betäubenden Klagelaut. Schatten stockte der Atem, als das Licht über
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