Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02

Titel: Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02
Autoren: Die Nacht der Elfen
Vom Netzwerk:
Zehnjährigen Kriegs zu dienen, er hatte nicht die Ehre einer gerechten Sache kennen gelernt, den tröstlichen Umstand, einen eindeutigen Feind vor sich zu haben, den Siegestaumel ohne Gewissenbisse. Sein Krieg war schmutzig, schändlich, ein Bruderkrieg gegen die Partei jener, in deren Diensten er einst gestanden hatte. Die sorglose Zeit der Holzschwerter und rein zum Vergnügen gefochtenen Schlachten schien bereits so fern, eine Zeit, da die Welt einfach war und seine Zukunft vorgezeichnet... Alles, was er damals erhofft hatte, war, den Ritterschlag zu erhalten, zu heiraten und eines Tages, wenn sein Vater starb, Baron zu werden. Oder sein Leben im Krieg zu lassen, wie so viele andere, und dabei einzig zu hoffen, dass er in seinen letzten Lebensminuten keine erbärmliche Figur abgab. Welcher Fehltritt, welche nicht wieder gut zu machende Sünde hatte ihn derart von seinem Schicksalsweg abgebracht? Er hatte sich doch alle Mühe gegeben. Gott wusste, wie sehr er sich bemüht hatte! Und Gott wusste, wie vielen Versuchungen er hatte widerstehen müssen, bis hin zu dem Lächeln der Königin Igraine, die so jung und so unglücklich verheiratet war. Bis hin zu den Lippen Igraines ... Bis hin zu ihrer Hand, die auf ihrem schneeweißen Hals ruhte ...
    »Uther?«
    Der junge Mann fuhr erschrocken hoch und trocknete sich mit einer raschen Handbewegung die Augen. Es war Dorian, der jüngere Bruder Llianes. Er sah, dass der Ritter geweint hatte.
    »Es gibt keine Ehre in dieser Burg.«
    Uther starrte ihn an, doch seine Bemühungen waren vergeblich. Es schien ihm, als lächelte der Elf, aber er konnte seine Miene in der Finsternis nicht erkennen.
    »... Und es gibt keine Ehre, die bei Nacht zerstört werden könnte.«
    Versuchte er ihm zu sagen, dass er Zurückbleiben konnte? Dachte der Elf, er weinte, weil er sich fürchtete?
    »Gehen wir.«
    Er stürzte Hals über Kopf los, brodelnd vor Scham und Zorn. Wie hätte Dorian begreifen sollen, was in ihm vorging? Die Elfen waren wie Tiere und zuweilen so erschreckend, da sie keinerlei menschliche Gefühle kannten. Als verspürten sie weder Angst noch Gewissensbisse noch so etwas wie Liebe ... nein, nicht einmal Liebe empfanden sie. Selbst sie nicht: Lliane.
    Uther rannte beinahe einen Elfen um, der bereits das von Lilian heruntergelassene Seil gepackt hatte, und kletterte schwerfällig hinauf, die Füße gegen die steile Wand gestemmt. Er teilte sich seine Kräfte nicht ein, weil er rasch nach oben und aus ihrem Sichtfeld hinaus gelangen wollte, und war daher nach wenigen Klaftern erschöpft; seine Schläfen pochten, und ihm war speiübel. Lichtpünktchen tanzten vor seinen Augen, so dass er innehalten musste, während er gierig, in großen Zügen, die Seeluft einsog, immer noch gegen die Festungsmauer gestemmt.
    »Psst, keine Bewegung!«
    Uther riss die Augen auf, ohne zu wissen, wer da gesprochen hatte. Lilian oder irgendein anderer Elf, die bereits nach oben geklettert waren? Dann sah er den steten Schein einer Fackel im Dunkel aufleuchten und Zinne um Zinne näher kommen, bis zu derjenigen, an der der Jongleur sein leichtes Tau festgemacht hatte. Er drückte sich umgehend an die von der Gischt glitschige Mauer, ängstlich ans Seil gekrallt, während er sich die Knie am Felsen aufschürfte und seine Füße auf der Suche nach einem Halt vergeblich ins Leere traten. Mit verkrampften Armen hing er da und hörte die Planke des Wehrgangs unter dem Gewicht des Wachtpostens knarren, nur wenige Ellen über seinem Kopf. Der Schritt des Postens war ungleichmäßig und schleppend. Vielleicht sah er nichts. Vielleicht...
    »Herr!«
    Uthers Augen weiteten sich vor Schreck, und sein Herz pochte. Der Ruf der Wache war in einem entsetzlichen Gurgeln erstickt. Er wagte es nicht, sich zu rühren, und doch wusste er, dass er nicht dort verharren konnte, denn seine Arme würden ihn nicht mehr lange halten. Mit einem Mal tauchte eine verschwommene Gestalt an der Zinne auf, und wenig später stürzte ein für immer verstummter Koloss in den Abgrund, kreiselte brummend hinab wie eine riesige Hummel und zerschellte auf dem Boden, irgendwo in dem dunklen Abgrund, der sich zu seinen Füßen erstreckte. Uther hob den Blick: nichts mehr. Die Fackel brannte noch immer und warf einen orangefarbenen Lichtkegel in die Nacht. Er stemmte sich erneut gegen die Wand, erklomm ächzend die letzten Klafter, packte den Rand der Zinne und zog sich bäuchlings auf den Wehrgang hinauf. Seine Hände zitterten, und auf seinen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher