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Fesseln des Schicksals (German Edition)

Fesseln des Schicksals (German Edition)

Titel: Fesseln des Schicksals (German Edition)
Autoren: Liz Gallaga
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hatte sie es sich eingestanden, ja mit den Jahren hatte sie sogar verdrängt, dass die Frau, die sie ihre beste Freundin nannte und mit der sie seit Kindertagen ihr Leben teilte, eine Sklavin war. Man hatte ihr Molly zum siebten Geburtstag geschenkt, und seither war sie nicht von ihrer Seite gewichen.
    «Warum hast du mir das nie gesagt?»
    «Ich dachte, du würdest mir den Wunsch vielleicht abschlagen.»
    Katherine hielt ihrem Blick stand. Da lag kein Vorwurf in Mollys Stimme, nur eine tiefe Traurigkeit, die Katherine jetzt die Tränen in die Augen trieb.
    Hatte sie in all den Jahren wirklich nie daran gedacht, ihr die Freiheit zu schenken? Im Grunde hatte sie schon vor langer Zeit beschlossen, dass die junge Frau mit der bronzefarbenen Haut und den grünen Augen ihre Freundin sein sollte, auch wenn stets eine unbestimmte Angst an ihr nagte. Angst, dass Molly sie verlassen würde, sobald sie frei wäre.
    «Ich hätte dich niemals verlassen, Katty», flüsterte Molly, als könnte sie die Gedanken ihrer Herrin erraten. «Du bist die einzige Familie, die ich je gekannt habe. Und die beste Freundin, die …» Sie wollte weitersprechen, aber die Anstrengung war zu groß.
    «Molly, du musst dich ausruhen. Wir sprechen morgen über alles.»
    «Nein!», stieß sie aus. «Morgen wird es zu spät sein.» Zum ersten Mal in ihrem Leben widersprach Molly ihrer Herrin.
    Katherine wollte erwidern, dass das nicht stimmte, dass das Schlimmste überstanden sei und es ihr bald besser gehen würde. Aber als sie sah, wie Doktor Steward bereits seine Sachen packte, obwohl die Blutung noch nicht gestillt war, brachte sie kein Wort heraus. Langsam verstand sie, dass es für Molly kein Morgen geben würde.
    «Bis jetzt habe ich dich nie um etwas gebeten», fuhr Molly flehentlich mit dünner Stimme fort. «Aber nun musst du mir etwas versprechen … Ich muss sicher sein, dass meine Kleine nicht das gleiche Schicksal erleidet wie ich. Ich muss sicher sein, dass sie keine Sklavin wird.»
    Katherine betrachtete das Neugeborene. Es war wunderschön und so schutzlos. Allein die Vorstellung, dass man dieses Mädchen zu einer Sklavin machte, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.
    «Das wird nicht geschehen», versprach sie feierlich. Sie würde Molly nicht enttäuschen. Aber sie musste noch etwas anderes tun. Von jenem Herzenswunsch ihrer Freundin geleitet, den sie so lange ignoriert hatte, drehte Katherine sich zu Latoya um und befahl ihr, Papier und Federhalter zu bringen.
    Owen Graham, der nach der Geburt des Mädchens wieder ins Zimmer getreten war, beobachtete alles aus dem Hintergrund, wagte aber nicht einzugreifen.
    Molly war noch bei Bewusstsein, als Latoya zurückkehrte, ein zerknittertes Blatt in der einen und ein Tintenfass in der anderen Hand.
    «Verzeihung, Herrin», entschuldigte sie sich, als sie die Dinge hastig auf den Nachttisch legte. «Das ist alles, was ich finden konnte.»
    Ohne eine Sekunde zu verlieren, ergriff Katherine das vergilbte Blatt, und noch während ihre Hand überstürzt schrieb, las sie die Worte laut vor, die die Macht hatten, Molly die Freiheit zu schenken.
    Ihre Stimme erhob sich klar und deutlich: «Ich, Katherine Lacroix, Eigentümerin der Sklavin, die seit meinem siebten Lebensjahr unter dem Namen Molly bekannt ist, schenke ihr heute, am 10. Juni 1837, die Freiheit.» Ihre Stimme erzitterte, bevor sie ihren Namen mit geschwungenen Lettern zu Papier brachte. «Gezeichnet: Katherine Lacroix.» Dann wandte sie sich an Doktor Steward und hielt ihm die Feder hin. «Ich brauche Ihre Unterschrift, Sie sind mein Zeuge.»
    Steward, der sich inzwischen das Blut von den Händen gewaschen hatte und gerade dabei war, seine Manschetten wieder zuzuknöpfen, trat näher und unterschrieb, ohne eine Gefühlsregung zu verraten. Danach setzte der Aufseher Owen Graham als zweiter weißer Zeuge seinen groben Schnörkel unter das Dokument, damit es rechtliche Gültigkeit erlangte.
    Weil Löschpapier fehlte, trocknete Katherine die Tinte schnell mit einem Zipfel ihres Nachthemdes ab.
    «Hier steht es. Du bist frei!», verkündete sie und drückte Molly das Papier in die Hände.
    Die junge Frau presste das Blatt an ihre Brust. Sie konnte nicht lesen; aber das musste sie auch nicht. Sie hatte vollstes Vertrauen in ihre Freundin.
    Die Tinte war noch nicht ganz getrocknet, und bei der Berührung mit der Haut der Sklavin war es, als würden die Worte in ihr Inneres sickern und schließlich mit ihrer Seele verschmelzen.
    Molly
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