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Fenster zum Zoo

Fenster zum Zoo

Titel: Fenster zum Zoo
Autoren: Carola Clasen
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Keller kommen. Das war’s dann.«
    »Willst du nicht ermitteln?«, fragte Muschalik verwundert.
    »Gegen wen, gegen den Grizzly etwa?«
    »Nein. Aber Nelly Luxem hat schließlich heute Morgen verschlafen.«
    »Na und?«, fragte Kraft.
    »Ben Krämer könnte ihr zu nahe getreten sein.«
    Kraft schüttelte den Kopf.
    »Und die Villa des Herrn Professor Nogge steht zur Zeit leer.«
    »Zufall. Worauf willst du hinaus. Auf Mord?«
    »Und dann ist da noch Mattis«, fuhr Muschalik fort.
    »Was ist mit Mattis?«
    »Er könnte etwas gegen Nelly Luxem haben, sie hat ihn von den Bären-Anlagen ins Südamerika-Haus verdrängt.«
    Kraft winkte ab. »Selbst wenn, ich sehe keinen Grund für ein Verfahren.«
    »Das finde ich sehr leichtsinnig, aber du bist schließlich jetzt der Leiter der Mordkommission.«
    »So ist es. Und du bist draußen. Freu dich und hör auf zu grübeln. Vertrau mir ganz einfach.«
    »Vielleicht hast du sogar Recht«, sagte Muschalik und seufzte, »weißt du, worüber ich wirklich froh bin? Ich muss nie wieder einer Mutter sagen, dass ihr Sohn soeben verstorben ist, nie wieder vor einer fremden Haustür stehen und einen völlig ahnungslosen Menschen in die Hölle schicken?«
    Aber die Gedanken an Nelly Luxem, Mattis und die leere Villa des Zoodirektors ließen Muschalik nicht mehr los.
    »Ich beneide dich«, sagte Kraft, »wir können nur hoffen, dass Unfälle wie dieser eine Ausnahme bleiben. Statistisch gesehen, hat Köln jetzt für sehr lange Zeit Ruhe, wenn nicht sogar für immer. Ich habe auch so genug zu tun. Du hast mich mit einem Berg ungelöster Fälle allein gelassen.«
    »Irgendwann musste es sein. Bekommst du nun neue Leute oder nicht?«, fragte Muschalik. In den letzten Wochen hatte man ihn im Präsidium schon aus der Planung herausgenommen, er war nicht mehr zu Besprechungen hinzugerufen worden und nicht auf dem neuesten Stand der Dinge, als ginge ihn alles nichts mehr an.
    »Ich glaube nicht, dass welche eingestellt werden. Wir müssen angeblich sparen«, sagte Kraft.
    »Ich denke, NRW strebt eine Polizeidichte von einem Polizisten auf vierhundert Einwohner an?«
    »Theoretisch ja, aber wer soll das bezahlen?«
    »Aber ihr habt die neuen Computer bekommen, sogar der Chef hat jetzt einen, obwohl er überhaupt nicht damit umgehen kann.«
    Kraft grinste: »Und wir ziehen bald um, auf die andere Rheinseite. Alles wird größer und schöner.«
    »Was das alles kostet«, Muschalik schüttelte den Kopf.
    »Menschen sind teurer als alle Computer zusammen. Denk allein an die Pensionen.«
    »Computer können kaputt gehen.«
    »Menschen können krank werden.«
    »Ich war nie krank.«
    Muschalik wollte sich nicht vorstellen, dass die Zukunft in diesen grauen Kästen lag. Bis zu seinem letzten Tag im Dienst war es ihm gelungen, sich zu drücken, das Weite zu suchen und die jüngeren Kollegen vor den Monitoren zurückzulassen. Er hatte ein paar Seminare belegen müssen, war immer wieder eingewiesen worden, aber der Zugang war ihm verborgen geblieben. Er hatte es vorgezogen, Täter auf den Straßen der Stadt zu suchen und zu finden, statt auf virtuellen Datenautobahnen. Manchmal hatte er eine grausige Vision: Er sah Polizisten im bläulichen Licht der Monitore Daten abrufen und vergleichen im world wide web, sie saßen in Betonbüros ohne Fenster und Türen, Rücken an Rücken, und niemand sprach auch nur ein Wort.
    »Computer haben einen großen Fehler«, sagte er und stand auf, »sie können nicht selbstständig denken.«
    Kraft zog die Füße vom Glastisch und versuchte die Spuren, die sie hinterlassen hatten, abzuwischen. Aber er produzierte nur noch mehr Schlieren. Er gab auf, notierte sich die Adresse der Eltern des Toten und schloss die Wohnung ab. Er setzte Muschalik vor der Agnes-Buchhandlung auf der Neusser Straße ab und empfahl ihm: »Kauf dir ein paar gute Krimis.«
    »Mit Sicherheit nicht.«
    Die Verkäuferin legte Muschalik eine Antiquität ans Herz: Das Große Dr. Oetker Kochbuch aus dem Jahre 1963. Wenn er das Kochen von der Pike auf lernen wollte, sei dieses Buch genau das Richtige für ihn.
    »Vorkenntnisse sind nicht vorausgesetzt«, sagte sie.
    Dabei hatte er Vorkenntnisse. Er konnte Rühreier machen, Pellkartoffeln kochen und Würstchen brühen. Aber er wollte nicht prahlen, und außerdem hatten er und Betty 1963 geheiratet. Und das Vorwort gefiel ihm: »Eine gute Küche ist das Fundament allen Glücks« von einem gewissen Escoffier.
    Es dämmerte bereits, als er vor Bettys schmalem
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