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Fenster zum Zoo

Fenster zum Zoo

Titel: Fenster zum Zoo
Autoren: Carola Clasen
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davon?«
    »Du weißt vieles nicht.«
    »Das ist wahr. Es war nie genug Zeit da zum Reden. Jedenfalls nicht, als du noch im Dienst warst. Immer im Stress. Immer unter Druck. Aber das können wir jetzt ändern.«
    »Und ich dachte immer, du wolltest nicht reden.«
    »Nicht zwischen Tür und Angel.«
    Bevor Kraft ging, flüsterte er Muschalik ins Ohr, dass die Kinder nichts von dem Bärenunglück wüssten. Es entspreche seiner Methode der Kindererziehung, jegliche Gewalt von ihnen fernzuhalten. Und er sei ihm dankbar, wenn er es ebenso handhaben würde.
    »Kinderseelen sind so verletzlich.«
    Muschalik schrieb einen Einkaufszettel, und sie machten sich auf den Weg zum Zoo. Die Zwillinge liefen Zickzack vor ihm her. Nur auf dem kurzen Stück an der viel befahrenen Inneren Kanal-Straße, die zur Zoobrücke führt, nahm er sie vorsichtshalber an die Hand. In der ruhigen Sackgasse An der Hora ließ er sie wieder los, und Tim fragte Tom:
    »Was machen Bären nachts?«
    Tom schnitt eine gefährliche Fratze, stürzte sich mit einem Schrei auf seinen Bruder und brummte:
    »Menschen fressen.«
    Kraft war ein Idealist.
    * * *
    Muschalik legte die dreißig Euro für die verbilligte Jahreskarte für Freunde des Kölner Zoo auf den Kassentisch im Verwaltungsgebäude.
    »Ich bin ab heute Pensionär.«
    »Nein! Das sieht man Ihnen gar nicht an«, rief der Kassierer überrascht, »sind das etwa Ihre Enkelkinder?«
    Muschalik zögerte. Er war ein Leben lang korrekt gewesen. Aber die Vorstellung gefiel ihm, und er nickte.
    Da riefen Tim und Tom über den Vorplatz. »Onkel Lorenz! Onkel Lorenz!«
    »Ach, wie süß«, sagte der Kassierer und verlangte vier Euro fünfzig für jeden Zwilling.
    Tim und Tom stürmten direkt links neben dem Eingang auf die Bollerwagen zu und kletterten in den erstbesten. Muschalik zog die beiden ein paar Meter hinter sich her, links an den Kamelen vorbei. Er ging immer links an den Kamelen vorbei, obwohl der große Rundweg von der Zooverwaltung anders geplant war. Aber so konnte er eher den Marabu begrüßen und ging dabei den Fotografen aus dem Weg, die manchmal ungebeten und mit gezückter Kamera auf der anderen Seite des Rundweges lauerten, um von den Besuchern unwiderstehliche Schnappschüsse anzufertigen.
    »Schneller, schneller«, trieben die Zwillinge ihn an.
    Hinter dem Veranstaltungszelt, in Höhe des Restaurants, verloren sie die Geduld, stiegen während der Fahrt aus und liefen los, rannten den Hauptweg entlang von einer Anlage zur anderen, als seien wilde Tiere auf ihren Fersen.
    Muschalik und der Bollerwagen hetzten hinter ihnen her, an den Flamingos vorbei, unter den Außenkäfigen der Lemuren hindurch, die für die Zwillinge allesamt nur kleine Affen waren. Moschusochsen und Bisons waren seltsame Kühe, der Mähnenwolf ein Fuchs. Seinem Patenkind, dem Marabu, konnte Muschalik nur kurz im Vorbeilaufen zuwinken, als Zeichen, dass er ihn nicht vergessen hatte. Der Marabu schien sich über seine Eile zu wundern, legte den Kopf schief und klimperte irritiert mit den Augenlidern.
    Tim und Tom entdeckten den Zoo auf ihre Weise. In den Häusern war die Begegnung mit den Tieren viel intensiver als in den Außenanlagen. Licht, Gerüche und Geräusche, die Körperwärme und die Nähe nahmen sie gefangen. Sie ließen sogar den Spielplatz, von dem schon von weitem Kindergeschrei zu hören war, links liegen und standen schließlich atemlos vor den Türen des Urwaldhauses.
    »Menschenaffen«, kündigte Muschalik an.
    Aber es waren nicht die Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans, die die Zwillinge anzogen, sondern die winzigen freilaufenden Tamarine, die zum Greifen nah wie Kobolde in den Ästen saßen und nur auf sie zu warten schienen. Mit ihren hellbraunen Körpern und dunklen Schwänzen perfekt getarnt, verrieten sie sich nur durch ihre schnellen, hastigen Bewegungen, die hier ein Bambusblatt zum Rascheln brachten und dort einen Zweig einknicken ließen. Ihre dünnen Krallenfüße trugen sie die Blattstiele der Palmen hinauf, von wo sie mit einem Sprung zum nächsten Ast ansetzten. Kaum hatte man einen erspäht, war er wieder im Dickicht verschwunden, und der nächste tauchte auf, oder war es derselbe?
    Muschalik gab keine Erklärungen ab und ließ die Zwillinge in die tropische Urwaldatmosphäre eintauchen. Der Rundweg führte sie automatisch zum Ausgang des Urwaldhauses, draußen standen sie ein paar Minuten wie benommen und flüsterten immer noch.
    Muschalik benötigte dringend eine Pause, und er führte
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