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Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)
Autoren: Jörg Maurer
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kannst du mir keinen Strick drehen.«
    »Ich nicht«, erwidert Jennerwein, »aber Prallinger kann es. Während du ihn geschlagen und misshandelt hast, hat er versucht, den Klassenkameraden einen Hinweis zu geben. Prallinger hat dich erkannt, er wollte deinen Namen jedoch nicht offen herausrufen, damit hätte er nur alle gefährdet. Seine große Leidenschaft war die Kryptologie, die Wissenschaft von versteckten Informationen. Kennst du diese Stelle aus
Romeo und Julia
, bei der der sterbende Mercutio sagt:
    »Ich bin verwundet! Verderben über eure beiden Häuser!
    Ich habe meinen Teil. Ist er weg und hat nichts?«
    »Sagt dir das was? Nein, das sagt dir nichts, denn du bist bei dieser Szene nicht auf der Bühne gestanden – und Szenen ohne deine Mitwirkung haben dich nie interessiert. Aber es ist von
dir
die Rede! Du hast damals den Tybalt gespielt, der den armen Mercutio niedergestochen hat. Mercutio redet an dieser Stelle von Tybalt. Diesen Hinweis hätten die Klassenkameraden verstehen können, aber keiner hat es dort oben in der Panik mitbekommen. Nur das Aufzeichnungsgerät. Und als ich mir das nochmals genau angehört habe, ist mir dieser Satz aufgefallen. Ich war mit auf der Bühne, du nicht. Ich war damals ein stummer Diener, der von dem schwerverwundeten Mercutio angewiesen wird, einen Wundarzt zu holen. Als ich Prallingers Worte hörte, begriff ich, dass er einen klaren Fingerzeig gibt. Das Opfer klagt dich selbst an.
Ist er weg und hat nichts?
Dieser
er
 – das kannst nur du sein. Und niemand sonst.«
     
    Viskacz verharrte eine Sekunde in seiner Position wie ein Boxer, der angeschlagen war, wie ein Baum, der schon einen roten Punkt aufgesprüht bekommen hat. Dann ging plötzlich ein Ruck durch seinen Körper.
    »Tybalt, ja, kann sein, dass du recht hast. Ja und, was solls? Das bringt dir gar nichts, du hast trotzdem keine Chance. Meine Verbindungen reichen bis ganz nach oben.« Sein Ton wurde scharf und herrisch. »Du bist ein kleiner Beamter, Jennerwein, deine Möglichkeiten sind beschränkt. Mir hingegen fressen die mächtigsten Politiker aus der Hand. Die tun, was ich sage.«
    »Meinst du?«
    »Ich muss telefonieren.«
    »Tu das, Gunnar. Telefoniere.«
    Viskacz eilte zu dem Apparat, der auf einem kleinen Tischchen stand, und riss den Hörer hastig hoch. Er wählte eine Münchner Telefonnummer. Er ließ es lange klingeln. Niemand nahm ab. Er rief eine Berliner Nummer an. Wieder ließ er es lange klingeln, und wieder nahm niemand ab. Auf Viskaczs Gesicht erschien ein gehetzter Ausdruck. Er machte eine Bewegung auf die Tür zu.
     
    »Das hat doch keinen Sinn«, sagte Jennerwein ruhig. »Meine Leute stehen draußen. Gib einfach auf, Chappi. Dein großangelegter Erpressungsversuch ist gescheitert. Es gibt keine höheren Stellen mehr, die dir jetzt helfen können. Sie sind nicht mehr interessiert an dir.«
    Jennerwein hob die Stimme.
    »Ich nehme dich fest wegen Mordes. An Heinz Jakobi, Beppo Prallinger und Dietrich Diehl.«
    Viskacz sank in einen Sessel und blickte starr vor sich hin. Einen Moment lang war alles still.
     
    Dann quietschten draußen Bremsen. Schritte ertönten.
    Dr. Rosenberger riss die Tür auf und stürzte herein. Er sah sich um, er erfasste die Lage mit einem Blick. Hinter ihm erschien das restliche Team von Jennerwein.
    »Ich sehe, Sie haben ihn überführt«, rief Rosenberger mit sonorer Stimme. »Das ist großartig. Bravo, Jennerwein. Sie haben den Mörder gefasst. Mehr noch: Sie haben weitreichende politische Verwicklungen verhindert. Nebenbei gesagt, bin ich Ihnen auch dankbar für Ihre direkten Worte. Polizeiobermeister Ostler, legen Sie dem Täter Handschellen an – ich muss mit Jennerwein alleine sprechen.«
    Jennerwein und Dr. Rosenberger gingen hinaus in die Nacht. Der Mond stand frech und drall am Himmel, er hatte sich ein Wolkenröckchen angezogen und schien den Beamten wohlwollend zuzuzwinkern. Die Kirchturmuhr schlug Mitternacht. Die Teamkollegen konnten die Worte durch die geöffnete Tür nicht genau verstehen, aber einige Fetzen wehte der Wind doch herein. Staatsgeheimnis … katastrophale Folgen … Europa … Mittelalter …
    Nach einiger Zeit trat Jennerwein wieder allein ins Zimmer. Mit einer Geste versammelte er sein Team um sich und sagte:
    »Der Fall ist noch nicht abgeschlossen. Noch nicht ganz. Wir durchsuchen auch dieses Haus. Stellen Sie alles auf den Kopf. Es ist äußerst wichtig, dass wir ein bestimmtes Dokument finden. Es sind alte
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