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Felidae

Felidae

Titel: Felidae
Autoren: Akif Pirincci
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so störend, dass es dem strahlenden Bild des allseits bewunderten Romanciers einige Risse versetzte. Ich arbeitete an keinem Roman, und nicht genug damit, ich hatte nicht einmal eine einzige Idee zu einem Roman auf Lager. Nach meinem ersten Buch hatte ich mich katastrophal erfolglos als Drehbuchautor durchgeschlagen, was sich in einer Schriftstellerbiographie bestimmt sehr gut machen mag, aber in Wahrheit eine recht demütigende und peinliche Angelegenheit war, da ich zum überwiegenden Teil auf Kosten meiner damaligen Freundin lebte.
    Bis zur Buchmesse musste also eine Idee her, etwas Aufsehenerregendes, Pfiffiges, eine Geschichte, die den Ullstein-Mann auf der Stelle veranlassen sollte, vor lauter Ehrerbietung zu mir eine Sekte zu gründen. Ich überlegte. Und überlegte. Und überlegte. Und ... Inzwischen - es war bereits Mitternacht geworden - hatte Cujo auf meinem Schreibtisch Platz genommen und döste im Dämmerschlaf. Gelegentlich klappte er ein Auge einen Schlitz breit auf, um sich zu vergewissern, ob ich irgendwelche Anstalten machte, ins Bett zu gehen, damit er mir dorthin folgen konnte. Wie mein Blick an meinem anmutigen Freund haftenblieb, der wie ein über alles erhabener Aristokrat seine stressfreien Tagesrhythmen pflegte, kam mir wieder der Rod-Stewart-Song in den Sinn. Und damit eine leise Ahnung, die wie eine Ritze in einer Mauer eine beschränkte Sicht auf ein abgeschlossenes Reich erlaubte. Wie wäre es mit einer Kriminalgeschichte unter Katzen, dachte ich spontan. Keine Fabel, kein Walt-Disney-Kitsch, kein Kindermärchen, sondern ein Roman, der dem Tier sowohl von seinem Verhalten her als auch auf einer philosophischen Ebene gerecht wird. Oft hatten mich in der Nacht bestialische Schreie aus dem Schlaf gerissen, die bedrängte oder miteinander kämpfende Katzen in den Gärten hinter unserer Parterrewohnung ausstießen. Ich wusste, mit welcher Brutalität diese Viecher bisweilen gegeneinander vorgehen konnten. Wie oft hatte ich Cujo und seine Mitbewohnerin Pünktchen mit blutigen Nasen oder aufgeschlitztem Pelz heimkehren gesehen. Gewalt, Sex und immer wieder die rabenschwarze Nacht - konnte man für eine Kriminalgeschichte mehr verlangen? Und noch eins wusste ich: Keine Katze glich der anderen. Einige waren Draufgänger, legten es ständig auf Streit an, rauften gerne. Andere waren die geborenen Opfer, getretene Kreaturen, die ganz unten in der Hierarchie standen und ihren Artgenossen als Punchingball dienten. Wieder andere aber benahmen sich wie geborene Detektive. Vorsicht hieß ihre Devise, Abwägen der Situation, lieber zunächst den Verstand benutzen, als nachher eine böse Überraschung erleben. So wie bei meinem über alles geliebten Cujo.
    Der Detektiv, der mir vorschwebte, musste viele Eigenschaften in sich vereinen. Er sollte die Bildung und Belesenheit eines Geisteswissenschaftlers besitzen, die sportliche Gelenkigkeit eines Hochleistungsathleten, die Kombinationsgabe eines Genies, die Liebesfähigkeit eines Don Juan und die ethische Gesinnung eines Moraltheologen. Vor allem jedoch mu ss te er umwerfend sympathisch sein, ein Kerl, den man einfach liebhaben musste. Kein Wunder, da ss dafür kein Mensch in Frage kam.
    Die Kriminalfall selbst sollte seinen Zündstoff direkt aus dem glühenden Herz dieses Fetischtieres schöpfen, die Problematik der unverstandenen Kreatur quasi auf den Punkt bringen, ohne die Schattenseiten der Katze, ihren hemmungslosen Egoismus, die Tatsache, da ss sie nur halbdomestiziert bzw. ein intaktes, allerdings opportunistisches Raubtier ist, ihre allgegenwärtige Affinität zur Gewalt und zum Snobismus und last not least ihre bösartige Intelligenz unter den Teppich zu kehren. Der Vorteil einer derartigen Geschichte lag auf der Hand: Weil sie sich in einer archaischen Welt abspielen würde, konnte man auf die Urwurzeln der Kriminalliteratur zurückgreifen, auf den allwissenden Detektiven, auf den dämonischen Mörder, auf die verängstigte Gemeinschaft der Hilfesuchenden und auf abenteuerliche Schauplätze. Undurchschaubare Polizeiapparate und komplexe Neurosen einer Menschengesellschaft, wie sie in jedem modernen Kriminalroman vorkommen, hatten in dieser überschaubaren Welt in den Hintergrund zu treten. Und so ganz nebenbei würde die gute alte Detektivstory à la Agatha Christie reanimiert werden.
    Mit diesen Ideeneckpfeilern im Kopf reiste ich zur Messe und traf dort den zu jener Zeit wohl einzigen Bewunderer meiner Literatur. Ich kann mich noch genau
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