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Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman
Autoren: Akif Pirinçci
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Person Möbelstücke ausmusterten, die dem Sperrmüll anvertraut werden sollten, und auch sonst allerlei törichte Dinge taten, um die Bude auf den Kopf zu stellen, hörte ich aus ihrem Mund immer wieder die rätselhafte Bemerkung: »Die Nüsse müssen weg!« Zunächst konnte ich unmöglich damit etwas anfangen, schon gar nicht eine Verbindung zu mir herstellen. Soweit ich wußte, aß Gustav nie Nüsse, von mir ganz zu schweigen. Welche Nüsse meinte sie bloß? Besorgniserregende Dimensionen begann der sich immer öfter wiederholende Ausspruch anzunehmen, als ich registrierte, daß er stets in meiner Gegenwart getan wurde. Und unmittelbar schaurig wurde es, wenn sie langsam, aber sicher dazu überging, ihre Oberlippe gegen die Nasenwurzel zu kräuseln, mich anklagend anzustarren, theatralisch irgendwelche eingebildeten ekligen Gerüche aus der Luft zu erschnuppern und gekünstelt zu seufzen (na?): »Die Nüsse müssen weg!« Das Geheimnis der Nüsse beschäftigte mich besonders, da der Bezug zwischen »Nüsse« und meiner Wenigkeit von Tag zu Tag unmißverständlicher wurde. Wie dieser Bezug aber aussehen sollte, wurde mir nicht klar. So hockte ich mich in einer ruhigen Minute, als die beiden außer Haus waren, in der Toilette auf den Waschbeckenrand, betrachtete mich selbst im Spiegel und überlegte mit der ganzen Schärfe meines Verstands. Ich hielt Ausschau nach etwas Nußartigem an mir, präziser gesagt nach etwas »Nüsse«-artigem, denn sie sprach ja andauernd in der Mehrzahl. Nein, da war nichts zu sehen im Spiegelbild, jedenfalls nichts, was mit Nüssen zu vergleichen gewesen wäre. Außer vielleicht - aber das war ja völlig weithergeholt, das war absurd, lachhaft, nicht nur lachhaft, das war ... ( 2 )
    Ich sah sie dort im Spiegel zwischen meinen Oberschenkeln baumeln wie heilige Früchte im Gefilde der Seligen, wie Offenbarungen der Kraft und der Herrlichkeit, meine Nüsse! , Genesismaschinen von der Gnade des Allmächtigen! Und gleichzeitig sah ich wie bei einer Doppelbelichtung aus diesem imposanten Stilleben die Erscheinung eines Chirurgen auftauchen, dessen Hand aber makabrerweise das Werkzeug eines Friseurs umklammert hielt: das Rasiermesser! Wie ein furchteinflößendes Zerrbild seines Berufsstandes war er mit einem scharlachroten Kittel bekleidet, und auch die Haube und der Mundschutz, die das Gesicht unkenntlich machten, trugen die Farbe des Blutes. Die Gruselgestalt kam immer näher, ohne wirklich einen Schritt nach vorne zu tun, bis ihre Fratze den gesamten Spiegel einnahm. Mir stockte der Atem. Plötzlich fuhr die Hand mit der scharfen Klinge hoch und riß den Mundschutz vom Gesicht. Jesus Christus und Maria Magdalena!, zum Vorschein kam Francesca, deren Blicke sich wie aus einer Harpune abgeschossene Eiszapfen in mein unschuldiges Wesen bohrten. Sie, die Hexe, die boshafte Frau, die Bestie wollte mir an die Nüsse!
    Vom Schreckgespenst geschockt, sprang ich vom Beckenrand herunter und lief in das vom Sonnenlicht durchflutete Wohnzimmer. Dort stieg ich auf mein geliebtes Gobelinsofa, das erst in den folgenden Tagen auf Francescas Geheiß entsorgt werden sollte, und schüttelte mich kräftig, um einen klaren Kopf zu bekommen. Während ich es mir mit wild pochendem Herzen auf den Kissen gemütlich machte, begann ich zu kombinieren, wie sie wohl vor Gustav solch eine barbarische Verstümmelung zu rechtfertigen versuchte. Sicherlich lebte ich nicht auf dem Mond und wußte sehr gut, daß etwa neunzig Prozent meiner Berufskollegen ganz und gar nußlos durch das Revier zottelten. Nach dem Eingriff schmückte ihre Gesichter zumeist jener verzückte Ausdruck, der asketischen Jüngern eines indischen Hochstaplers zu eigen ist, welcher seinerseits aber sein Domizil vorsichtshalber zu einem einzigen Hurenhaus ausgebaut hat. Nicht nur ihre Hoden, sie schienen irgendwie auch ihren Mumm und ihre Abenteuerlust verloren zu haben, schlimmer noch, ihr Herz. Dessenungeachtet brachen bei ihnen bisweilen ohne ersichtlichen Grund furchtbare Aggressionen hervor, geradeso, als hätten sie erst beim Wasserlassen auf der Spiegelung der Pipilache den ungeheuerlichen Verlust bemerkt. Doch erfahrungsgemäß bestand ihr einziger Lebenssinn darin, auf Fensterbänken und Mauern zu hocken, wie pensionierte Grenzsoldaten der Vergangenheit nachzutrauern, die Territorien im Auge zu behalten und ansonsten Gott einen guten Mann sein zu lassen. Und wenn doch der Fall eintrat, daß eine Königin in Hitze sich einmal zu ihnen verirrte
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