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Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman
Autoren: Akif Pirinçci
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bilden würde, passiert hatte, erreichte ich den Versteinerten Wald. Doch die Betrachtung dieses Mahnmales menschlichen Unverstandes ließ in mir nur Wut aufkommen, so daß ich mich in den gesunden Teil des Waldes fallen ließ und genau in das Kanalrohr hineinsauste, aus dem ich einst herausgekrochen war. Wie eine ziellose Flipperkugel schwirrte ich eine Weile durch die labyrinthischen Verzweigungen der Kanalisation, die von ihrer klammen Gruftigkeit nicht das mindeste verloren hatte. Das Volk der Barmherzigen fand ich schließlich in einer endlos scheinenden Abwasserstraße, wo sie wie Fischer aus prähistorischen Epochen gemeinsam eine Rattentreibjagd veranstalteten. Ich sah Safran, Niger und all die übrigen schmutzverklebten Blinden stürmisch im Wasser planschen und daraus regelmäßig mit Beutestücken zwischen den Zähnen auftauchen. Schade, daß ich ihnen die Nachricht von der Beendigung der Mordserie nicht mehr hatte überbringen können. Dennoch unterbrachen alle den Rattenfang und verfielen in ein bedrücktes Schweigen, als ich ihre Köpfe streifte. Zumindest als eine ferne Erinnerung oder als eine heilbringende Ahnung war ich für sie offenkundig weiterhin existent. Ich segnete sie alle und verließ dann durch den Hauptsammler die Kanalisation.
    Hoch über der Stadt sah ich das alte Haus, in dem Gustavs kleine Parterrewohnung lag, und endlich, endlich mein ehemaliges Revier. Sofort setzte ich zum Sturzflug an, aber je mehr ich mich dem vertrauten Ort näherte, um so deutlicher offenbarte sich mir eine herzzerreißende Szene. Gustav stand hinten auf der Terrasse, ließ den Blick traurig über die Gärten schweifen und brach dann in ein jämmerliches Geheule aus. Es war unverkennbar, daß die Trauerarbeit seinem verschwundenen Liebling galt, denn dessen stumme Abwesenheit wirkte hier, an seinem Stammplatz, eindringlicher als seine Gegenwart. In Sichtweite tummelten sich meine alten Freunde in den Nachbargärten. Ich sah den alten verkrüppelten Blaubart, den Reviertyrannen Kong und seine beiden Leibwächter Herrmann und Herrmann, den verschrobenen Jesaja, die betörende Nhozemphtekh, mit der ich so manche heiße Liebesnacht verbracht hatte, und noch ein paar andere von der Bande.
    Du hättest meine Würde nicht antasten sollen, dicker Mann, sprach ich zu Gustav aus der Geisterwelt, selbst dem Heulen nahe. Und du hättest wissen müssen, daß Liebe nicht so ohne weiteres teilbar ist. Ich habe dich geliebt so wie du warst, mit all deinen Macken und widerlichen Angewohnheiten (wie zum Beispiel der Unsitte des Beschmatzens und Begurgelns von jedem blöden Schluck Wein). Du aber verrietest unsere Freundschaft um den Preis eines trügerischen Haussegens. Kein Mensch verdient ein Tier, der nicht erkennt, daß er im Grunde selbst ein Tier ist und deshalb mit dem Tiere wie mit seinesgleichen umgehen muß. Doch der Schleier des Vergessens möge sich über deine Sünden legen, lieber Gustav, und die Erinnerung an die gemeinsam erlebten Sonnentage uns beide für das Ungemach entschädigen. So lebet alle wohl, ihr starken Wächter des Reviers und mein charakterschwacher Freund! Gott in seiner unendlichen Güte wird uns irgendwann wieder zusammenführen, ohne die Eisengewichte der irdischen Existenz und den lächerlichen Unterschied zwischen den Arten.
    Während ich diese Abschiedsworte aussprach (oder nur dachte?), schoß ich wie eine Rakete in den Himmel empor, und aus den Augenwinkeln konnte ich erspähen, daß sowohl der von Trauer erfüllte Gustav als auch meine einstigen Kumpane wie auf ein Zeichen ihre Köpfe hochrissen und mir wehmütig nachblickten. Mit Blitztempo durchbrach ich die Troposphäre, die Stratosphäre, die Ionosphäre, die Exosphäre, die Chemospähre und schließlich die Atmosphäre, so daß die vertraute Topographie immer rasender ihre Konturen verlor und in einem kolossalen blauen Ball unterging, der von weißen Schwaden umnebelt war. Wie wunderwunderschön und friedlich wirkte doch dieser Planet, wenn man ihn wie ein intergalaktischer Forscher von der Ferne betrachtete. Schwerelos und frei von jeglicher Sorgenlast umrundete ich ihn in einem atemlosen Flug, bis Kontinent um Kontinent unter mir hinweghuschten und der Kreis sich schließlich über dem Erdteil schloß, wo der Triumphzug der Felidae seinen Anfang genommen hatte: Afrika. Es war nun an der Zeit, dieser so seltsam widersprüchlichen Kugel ade zu sagen, weil ich plötzlich eine unheimliche Kraft spürte, die mich in die Abgründe des
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