Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12
Autoren: Akif Pirinçci
Vom Netzwerk:
nicht. Es ging um die glühende Verheißung, um das Versprechen
dessen, was man noch erleben wollte und bisweilen auch angenehm oder
schmerzlich erlebte. Wobei wir beim Thema wären.
    »Wie wurdest du so, wie du jetzt bist, Paps?« wollte
Junior wissen.
    »Du meinst, uralt?«
    »Nein. Ich meine, wie du alt wurdest, weiß ich ja schon.
Wenn mich nicht alles täuscht, ganz von selbst.«
    »Du hast es erraten, Klugscheißer!«
    Aus den Augenwinkeln registrierte ich, daß Sancta bereits
im tiefen Schlummer lag. Sie hatte sich eng an mich geschmiegt, meine göttliche
Korat, und ihr zufriedenes Atmen verriet mir, daß sie wohl wieder von ihrer
geliebten Heimat träumte: Italien – Rom – Forum Romanum. Auf den abgebrochenen
Säulen dieses Geisterreichs hatte ich sie kennen- und liebengelernt. Und kaum
zu glauben, ich hatte es mit Hilfe grotesker Gestikulationen sogar geschafft,
daß selbst ein so begriffsstutziger Pottwal wie Gustav meine Bitte um die
Heimholung der Braut kapierte. Nun, römisches, gar ein antikes Ambiente konnte
ich ihr in unserem Gründerzeit-Viertel nicht bieten. Aber dafür all die Liebe,
die in einem alten Lappen wie mir steckte. Und ein überdimensioniertes
Labyrinth an Gärten hinter den im Karree angeordneten Altbauten.
    Ich weiß, was jetzt kommt: Daß der alte Sack sich wie alle
alten Säcke mit gewissem Wohlstand ein junges Modell zugelegt hatte. Was soll
ich sagen – es stimmt! Die Korat soll ihren Namen nach der thailändischen
Provinz Korat erhalten haben, wo sie von König Rama V. gezüchtet
wurde. In ihrem Ursprungsland gilt sie als Glücksbringer. Und Glück hatte
Sancta mir weiß Gott gebracht mit ihrem wunderschönen, silberblau schimmernden
Fell, dem herzförmigen Kopf und den leuchtend grünen Augen. Okay, ich hätte ihr
Uropa sein können. Doch erstens spielt bei unserer Rasse der Altersunterschied
zwischen den Geschlechtern keine Rolle (Ausrede aller Uropas mit dem nötigen
Kleingeld), und zweitens war ich ihr gegenüber im buchstäblichen Sinne ein sehr
lieber Uropa.
    Meine süße Sancta ruhte also am Bauch ihres Sugar-Daddys
und gab solch liebenswürdige Seufzer von sich, daß ich ihr am liebsten auch
noch im Traum begegnet wäre. Gustav schnarchte leise in seinem voluminösen
Sessel und ließ sich den Globusbauch vom Kaminfeuer erwärmen. Und Blaubart,
mein buntgescheckter, fast zahnloser alter Freund, nun ja, vielleicht war er
schon tot. Jedenfalls sah er mit allen von sich gestreckten vieren, seinen
mannigfaltigen Verstümmelungen im Ohr- und Schwanzbereich und der halb
geöffneten, von etlichen Narben übersäten Schnauze so aus. Das hieß, er sah so
aus wie immer. Junior jedoch war hellwach und hatte nichts anderes im Sinn, als
mich mit seinen blöden Fragen zu piesacken. Das Privileg der Jugend ist es
unter anderem, daß sie selber nicht merkt, wie ungemein sie ihrer Umgebung auf
den Geist geht.
    »Mich interessiert, wie du zu diesem sagenhaften Ruf eines
Meisterdetektivs gekommen bist. Mich würde der Anfang interessieren, Paps.«
    Zwei leicht schräge grüne Diamantenaugen glotzten mich aus
einer schwarzweißen Fellexplosion an, als wäre ich das achte Weltwunder. Mein
schöner Sohn wirkte irgendwie, als sei er vom Friseur eines Königshofes
toupiert worden. Manchmal, wenn ich ihn mir so ansah, schimmerte aus ihm die
Erscheinung seiner seligen Mutter hervor. Die verwuselte Eleganz, die schier
leuchtende, hellrosa Haut an der Nase, den Ohrenspitzen und an den Fußballen
und ein so scharfer Blick, daß man meinte, von einem Gedankenlesegerät gescannt
zu werden. Ich erinnerte mich an sie, an den Zauber jenes sonnigen
Nachmittages, an die wunderbaren Eruptionen der Liebe, an jene magischen
Augenblicke, als Junior gezeugt wurde. O ja, auch ich war in Arkadien
gewesen.
    »Der Anfang, er liegt lange zurück«, sagte ich und gähnte
in die allmählich ermüdende Glut des Kaminfeuers hinein. Eigentlich wollte ich
so schnell wie möglich dem Weg meiner Freunde in das Traumland folgen. Statt
dessen mußte ich hier Rede und Antwort stehen, als säße ich vor einem
Soziologieprofessor, der eine gescheiterte Existenz studiert. »Und übrigens,
das mit dem Meisterdetektiv würde ich selbst nie in den Mund nehmen.«
    »Weil Eigenlob stinkt?«
    »Nein. Weil ich das erste Verbrechen, in das ich zufällig
hineingeraten war, nicht vollständig lösen konnte.«
    »Ach, davon hat mir ja noch niemand erzählt. Ist auch
egal. Wenn nur die Hälfte deiner glorreichen Taten, die sich hier im
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher