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Feldblumen

Feldblumen

Titel: Feldblumen
Autoren: Adalbert Stifter
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mir oft kleinstädtisch genug und abgeschabt vorkommt gegen die freie, gewaltige Residenzstadt der Natur, insonderheit, da mir Deine Pyrenäenreise ganze Prachteindrücke übersendet. Du bist wohl noch der alte Narr, und ein hiesiger Freund oder, besser gesagt, nur ein Bekannter, den ich unlängst erwarb, Anselm Ruffo, sagte, ich sei auch ein großer, aber unschädlicher, d. h. für Andere, mir selber aber beständig im Lichte. Es kann sein, und wenn Du eine stichhaltige Beschreibung eines Narren auftreibst, so sende sie schleunigst; dann läßt sich die Sache eher entscheiden - bisher wußte ich keine. Bleibe fürerst nur der liebe, gute, treue und schönheitsbegeisterte Narr, als welchen ich Dich kenne, und ich will Dich einige Millionenmal mehr lieben, als die andern gescheidten Leute. Sende fleißig Pyrenäentage und zürne nicht, wenn Dir unser Lyoner Spediteur von mir ein Päckchen sen det, in denen nicht jeder Tag ein Gesicht zeigt - es hat eben nicht jeder eines.
    Disson war während der Zeit wieder bei mir, und wir gefielen uns so, daß wir nicht nur volle drei Stunden verplauderten, sondern auf den ersten Mai, falls es meine Gesundheit zuläßt, einen Spaziergang von einem ganzen Tage verabredeten.
    Ich habe richtig jenes Mädchen in der Annenkirche wieder gesehen; sie geht täglich um zehn Uhr dahin in Begleitung einer alten Frau, die ich für ihre Mutter halte. Du würdest Dich wundern; ganz eigen ist der ruhige, große, fromme Blick der blauen Augen.
    Sie wäre, wie ich Anfangs scherzte, in der That ein antikes Modell. Als ich sie der Gasse entlang schreitend sah, und ihr nachblickte, dachte ich: so müßte ein altgriechisches Marmorbild ausgesehen haben, das wandeln könnte und Augen gehabt hätte. Da kamen mir allerlei Spintisirungen über sie: ich möchte sie einmal beten sehen; aber nicht in der Kirche, wo sie die Augen mit den Wimpern kalt verhüllt, sondern wenn sie in ihrem Zimmer einsam Gott dankt oder um Abwendung eines entsetzlichen Wehes bittet; - oder ich möchte sie in Liebesfreude schwärmen sehen oder im Schmerze das Auge aufschlagen - oder tanzen - oder eine Gebirgspartie machen - lachen - ihren Vogel kosen - eine kleine Schwester belehren; oder wenn sie Thee bietet; wenn ihr etwas sehr komisch erscheint - und so weiter - und so weiter.
    Aston will Bilder aus Wiens Umgebungen von mir, und findet sie immer sehr schön, wenn ich ihm auch noch so sehr (nach meiner alten Untugend, wie Du sie nennst) die Fehler darin aufdecke - - aber siehe, Titus, ich muß es ja thun, sonst meinen fürwahr die Leute, ich sehe die Fehler nicht ein und wolle mich nicht bessern - - also er findet die Bilder immer schön, und wir sind in voller Arbeit - ich mit Malen und er mit Anordnungen, die ich immer nicht befolge. Im August wird eine Alpenreise gemacht, und vielleicht berede ich Lothar auch dazu, wenn nämlich der Verlauf der Bekanntschaft mit ihm so glücklich fortgeht, wie der Anfang ist. Wir wollen den Großglockner besteigen. Zum Schluße noch Eins: Du hast dreißig Dukaten angewiesen; ich habe sie erhalten. Es hat sich hierbei die Lächerlichkeit ereignet, daß mein Contingent, nämlich die Hälfte meiner dießmonatlichen Einkünfte, welche dir gebührt, gerade eben so viel beträgt. Laß uns also in Zukunft lieber Gegenrechnungen machen und bloß die Ueberschüsse senden. Ich glaube, wir erfüllen so unsern Bruder- und Theilungsvertrag auch und mit weniger Umständen.
    Lebe wohl und bleib' mein treues Bruderherz.
    Das heutige Tagebuchblatt ist nur dieser Brief an Dich; aber ich dachte auch nichts als Dich. Lebe wohl!

4. Glockenblume
     
    3. Mai 1834
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    Ich hasse eigentlich keinen Menschen auf Gottes ganzer grüner Erde - aber da ist ein junger Mann, der mir nachgerade zuwider wird, wie die ärgste meiner Sünden. Er ist ein Begegner, deren fast jeder einen hat, so wie ich ihn; ob aber der andern ihre auch so emsig und unermüdlich sind, daran zweifle ich. Gehe ich in den Prater, so sitzt er auf einer Bank, fliege ich von da in's Belvedere, so geht er schon am Rennwege herein. Wenn Dir etwa in den Pyrenäen ein langer Herr vorfällt, der kein Halstuch umhat, und schlechthin den Mylord spielt, der ist es und kein anderer. Es ist mir, als suche er mich ordentlich. Entweder ist er der ewige Jude, oder jener Reisende, dessen Name überall steht, oder weil dieser gestorben sein soll, sein Geist. Es wäre das Vernünftigste, wir grüßten uns gegenseitig höflich. Ich hätte mich weniger über ihn
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