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FEED - Viruszone

FEED - Viruszone

Titel: FEED - Viruszone
Autoren: Mira Grant
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auf die in die Wand eingelassenen Metallflächen drückten. Das Metall kühlte meine Hand für einen Sekundenbruchteil ab, bevor ich ein Stechen in meinem Zeigefinger verspürte. Das Licht über der Tür begann, rot und gelb zu blinken.
    »Glaubst du, dass wir sauber sind?«, fragte Shaun.
    »Wenn nicht, war es nett, dich kennengelernt zu haben«, erwiderte ich. Der Umstand, dass wir immer zusammen reinkommen, bedeutet, dass es das Ende vom Lied ist, wenn das Testergebnis einmal bei einem von uns positiv ausfallen sollte. Dann wird man niemanden aus der Garage lassen, bis der Säuberungstrupp kommt, und die Chancen, dass die saubere Person von uns beiden es in den Wagen schafft, bevor es losgeht, sind nicht besonders gut. Unser Nachbar hat eine ganze Weile lang alle halbe Jahr beim Jugendamt angerufen, weil unsere Eltern uns nicht verboten haben, zusammen nach Hause zu kommen. Aber was hat man schon vom Leben, wenn man nicht dann und wann ein Risiko eingeht, wie zum Beispiel zusammen mit seinem verdammten Bruder das Haus zu betreten?
    Das Licht fing an, grün statt rot zu blinken. Ein paar Sekunden lang leuchtete es noch abwechselnd grün und gelb, dann nur noch grün. Die Tür entriegelte sich, und das Haus sagte mit seiner ausdruckslosen Stimme: »Willkommen, Shaun und Georgia.«
    »Was geht, Haus?«, antwortete Shaun, während er sich die Schuhe auszog und sie draußen in die Putzeinheit warf, um anschließend einzutreten und zu brüllen: »He, ihr Alten! Wir sind zu Hause!« Unsere Eltern verabscheuten es, als »die Alten« bezeichnet zu werden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er eben deshalb diese Worte verwendet.
    »Und wir leben noch!«, fügte ich hinzu und folgte ihm durch die Garagentür, die hinter uns zuschlug und sich selbsttätig verriegelte. In der Küche roch es nach Spaghettisoße und Knoblauchbrot.
    »Wir freuen uns jedes Mal, wenn ihr es nicht schafft zu sterben«, sagte Mom, die gerade in die Küche kam und einen leeren Wäschekorb auf die Anrichte stellte. »Ihr wisst, wie’s läuft. Rauf, alle beide, und zieht euch zur Sterilisierung aus.«
    »Ja, Mom«, sagte ich und nahm den Wäschekorb. »Komm, Shaun. Die Versicherungsprämie ruft.«
    »Ja, mein Herr und Meister«, sagte er gedehnt. Ohne Mom zu beachten, drehte er sich um und folgte mir die Treppe hinauf.
    Unser Haus war ein Doppelhaus, bevor Mom und Dad es zu einem Einfamilienheim haben rückbauen lassen. Shauns und mein Schlafzimmer liegen direkt nebeneinander. Es gibt sogar eine Zwischentür. Das macht einem das Leben leichter, wenn es ans Editieren und an die Vorbereitungen für unsere Ausflüge geht, und so ist es seit jeher gewesen. Bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen ich zu dem Versuch gezwungen war, ohne Shaun im Nebenzimmer einzuschlafen – na ja, sagen wir einfach, mit einem Sechserpack Cola halte ich eine ganze Weile durch.
    Ich ließ den Wäschekorb zwischen unseren Zimmertüren auf dem Flur stehen, ging in mein Zimmer und machte das Deckenlicht an. Wir haben überall im Haus Energiesparlampen, aber in meinem Zimmer habe ich mich komplett von weißem Licht verabschiedet. Ich ziehe es vor, im Schein der Computermonitore und im angenehmen Schwarzlicht von UV-Lampen zu leben. Die können vielleicht zu vorzeitiger Faltenbildung führen – aber dafür schädigen sie die Netzhaut nicht, was ich sehr zu schätzen weiß.
    »Shaun! Zwischentür!«
    »Alles klar«, rief Shaun. Die Verbindungstür knallte zu, und die dünne Linie aus Licht verschwand einen Augenblick später, als er den Schallschutz vorschob. Mit einem erleichterten Seufzer nahm ich meine Sonnenbrille ab und zwang mich, die Augen weit zu öffnen. Ich war zu lange draußen in der Sonne gewesen: Selbst das Schwarzlicht stach ein paar Sekunden lang in meinen Augen, bevor sie sich darauf einstellten und das Zimmer sich mir so scharf und detailliert darbot, wie es sich den meisten Menschen nur in direktem Licht gezeigt hätte.
    Gemeinhin bezeichnet man dieses Leiden als »retinales Kellis-Amberlee«, aber eigentlich heißt es: »Erworbenes optisch-neuropathisches Kellis-Amberlee-Reservoirleiden.« Ich habe diese Bezeichnung niemals außerhalb von Krankenhäusern gehört, und selbst dort reden die Leute normalerweise bloß von »retinalem KA«. Die guten alten Reservoirleiden: Ein weiterer Weg des Virus, unser aller Leben interessanter zu gestalten. Meine Pupillen sind ununterbrochen geweitet und ziehen sich bei Licht nicht zusammen. Man kann bei mir keine Netzhautscans
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