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Feanors Fluch

Feanors Fluch

Titel: Feanors Fluch
Autoren: J.R.R. Tolkien
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nun die Stunde, und Manwe befahl ein Fest an, das glänzender sein sollte als alle früheren, seit die Eldar nach Aman gekommen. Denn wenn auch Melkors Flucht Kummer und Mühen verhieß und niemand zu sagen wußte, welche Wunden Arda noch leiden mochte, ehe er wieder gebändigt war, so wollte zu dieser Zeit Manwe doch das Übel heilen, von dem die Noldor befallen waren; und alle wurden in seine Hallen auf dem Taniquetil geladen, um dort den Zwist unter ihren Prinzen zu begraben und alle Lügen des Feindes vergessen zu machen.
    Es kamen die Vanyar, und es kamen die Noldor aus Tirion, und die Maiar waren versammelt, und die Valar erschienen in all ihrer Pracht und Schönheit; und sie sangen vor Manwe und Varda in ihren hohen Hallen oder tanzten auf den grünen Hängen des Berges, die nach Westen, zu den Bäumen hin, abfielen. Die Straßen von Valmar waren leer an diesem Tag, und auf den Stufen von Tirion war es still, und das ganze Land lag und schlief in Frieden. Nur die Teleri jenseits der Berge sangen noch an den Ufern des Meeres, denn sie kümmerten sich wenig um Ernten und Jahreszeiten und machten sich keine Gedanken über die Sorgen der Herrscher von Arda, noch über den Schatten, der auf Valinor gefallen war, denn sie hatte er noch nicht berührt.
    Eines nur verdarb Manwes Plan. Feanor kam zwar, denn nur ihm hatte Manwe befohlen, zu kommen, doch Finwe kam nicht, noch irgendein andrer der Noldor von Formenos. Denn, so sagte Finwe: »Solange der Bann auf Feanor liegt, meinem Sohn, daß er nicht nach Tirion gehen darf, solange bin ich nicht König und solange gehe ich nicht zu meinem Volk.« Und Feanor kam nicht im Festgewand und trug keinen Schmuck, weder Silber noch Gold, noch Gemmen; und er verweigerte den Valar und den Eldar den Anblick der Silmaril, denn die hatte er in ihrer eisernen Kammer in Formenos gelassen. Immerhin aber sprach er vor Manwes Thron mit Fingolfin, und in Worten war er versöhnt; und Fingolfin erklärte das gezogene Schwert für nichtig und vergessen. Und Fingolfin hob die Hand und sagte: »Wie ich versprochen, so tue ich jetzt. Ich verzeihe dir, und ich erinnere mich keines Zwistes.« Dann nahm Feanor schweigend seine Hand; Fingolfin aber sagte: »Dein Halbbruder im Blut, doch ganz dein Bruder im Herzen will ich sein. Befiehl du, und ich will folgen. Möge kein Zwist uns scheiden!«
    »Ich höre dich«, sagte Feanor. »So sei es.« Aber sie wußten nicht, welcher Sinn ihren Worten zuwachsen sollte.
    Es wird erzählt, daß, als Feanor und Fingolfin eben vor Manwe standen, die Vermischung der Lichter eintrat, so daß beide Bäume leuchteten und die stille Stadt Valmar sich mit silbernen und goldnen Strahlen erfüllte. Und in diesem Augenblick kamen Melkor und Ungolianth über die Felder von Valinor geeilt, wie der Schatten einer schwarzen Wolke auf dem Winde über die besonnte Erde streicht; und sie kamen zu dem grünen Hügel Ezellohar. Dann griff Ungolianths Unlicht den Bäumen an die Wurzeln, und Melkor sprang auf den Hügel, und seinen schwarzen Speer stieß er beiden Bäumen durchs Herz, beide tief verwundend; und Saft quoll hervor wie Blut und verspritzte auf dem Boden. Ungolianth aber leckte ihn auf, und dann, von einem Baum zum andern gehend, setzte sie den schwarzen Rüssel an ihre Wunden, bis sie ganz ausgesogen waren; und das Todesgift, das in ihr war, floß in die Adern der Bäume und verdorrte sie an Wurzel, Zweig und Blatt; und sie starben. Und immer noch war sie durstig, und so ging sie zu Vardas Brunnen und trank sie leer; und schwarze Dämpfe rülpste sie hervor, als sie trank, und schwoll zu solcher Größe und Abscheulichkeit, daß Melkor sich fürchtete.
    So fiel das große Dunkel über Valinor. Von den Geschehnissen an jenem Tag werden viele im Aldudenie berichtet, das Elemmire von den Vanyar schrieb und das allen Eldar bekannt ist. Doch kein Lied und keine Erzählung vermag all das Leid und den Schrecken aufzunehmen, die nun hereinbrachen. Das Licht war fort; doch das Dunkel, das folgte, war mehr als nur Verlust des Lichtes. In jener Stunde wurde ein Dunkel gewirkt, das nicht ein Mangel zu sein schien, sondern ein Ding von eignem Leben: hatte doch Tücke es aus dem Licht selber erschaffen, und es hatte Kraft, durchs Auge in Herz und Geist zu dringen und den Willen selbst zu ersticken.
    Varda blickte vom Taniquetil hinab und sah, wie sich der Schatten plötzlich zu Türmen von Finsternis aufwarf; Valmar lag in einem tiefen Meer von Nacht versunken. Bald stand der Heilige
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