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Fast ein bisschen Frühling - Capus, A: Fast ein bisschen Frühling

Fast ein bisschen Frühling - Capus, A: Fast ein bisschen Frühling

Titel: Fast ein bisschen Frühling - Capus, A: Fast ein bisschen Frühling
Autoren: Alex Capus
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neben sich auf der Bank. Eine Stunde sitzt er so da, ohne das Brot anzurühren, eine zweite, dritte, vierte, fünfte und sechste Stunde. Kurz vor sieben Uhr graut der Morgen zwischen den nackten Bäumen. Dorly schläft tief und fest, als Waldemar Velte unter den Blicken von achthundert Polizisten aufsteht, den Mantel aufknöpft, in die Tasche greift, die Pistole zieht, sie zur Brust führt und abdrückt.
     
    *
     
    Otto Beck, Polizeimann, stationiert am Claraposten: »Ich sprang mit anderen Polizisten zu der Ruhebank, vor der die beiden Mörder am Boden lagen, und da sah ich, wie die Hände des daliegenden Velte noch krampfartig zuckten und dessen Pistole rechts vom Körper am Boden lag.«

21
    Sekunden später brach der Sturm von allen Rändern über den Margarethenpark herein. Der Reporter von der »National-Zeitung« war wiederum zuvorderst dabei. »Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht vom Tode der Mörder in der Stadt, und Tausende eilten hinauf ins Margarethengut. Die Polizei ließ niemanden an die Toten heran, bis der Polizeifotograf mit seinem Apparat zur Stelle war und die Leichname von allen Seiten im Bild festhalten konnte. Besonders fotografiert wurden die beiden Gesichter. Auf der Straße oberhalb des Margarethenparks war inzwischen das Totenauto vorgefahren. Zwei Metallsärge wurden zu den Leichen getragen. Erst durchsuchten die Kriminalbeamten die Taschen der beiden Mörder. Neben ihnen am Boden lagen die beiden Revolver: In einem war ein Magazin mit noch sechs, im andern eines mit sieben Patronen! Zudem hatten die Mörder noch zwei volle Patronenmagazine mit je acht Patronen in ihren Taschen. Als die Leichen in die Särge gelegt waren, wurden sie ins Auto getragen und abtransportiert.«
    Das Auto fuhr in die Anatomische Anstalt der Universität Basel. Dort sägte ein Mann in weißem Kittel Kurt Sandwegs Schädel auf und fand im Gehirn zwei Kugeln. Eine war durch die linke Schläfe eingedrungen, die andere durch die rechte. Die dritte Kugel hatte Kurts große Herzschlagader zerrissen. Ein jeder dieser Schüsse wäre tödlich gewesen, schrieb der Gerichtsmediziner in seinem Bericht. Waldemar Velte hatte am Kopf eine zwei Zentimeter lange Streifwunde, die das Gehirn nicht verletzt hatte. Der Herzschuss aber muss unmittelbar tödlich gewesen sein.
    Der Mann im weißen Kittel setzte die Hirnschalen wieder an ihre Plätze, nähte die Kopfhäute fest und kämmte das Haar sorgfältig über die Nähte. Er wusch das getrocknete Blut ab und drückte die totenstarren Gesichtsmuskeln lebensecht zurecht. Dann strich er die Gesichter Sandwegs und Veltes gründlich mit Vaseline ein. Er rührte ein gutes Kilogramm Gips an, verteilte diesen auf den Gesichtern und wartete, bis er hart war. Die entstehenden Hohlformen strich er wiederum mit Vaseline ein und goss sie mit Gips aus. Dann rollte er die Leichen auf fahrbaren Untersuchungsliegen hinüber in den Kühlraum, wusch sich die Hände, zog den Kittel aus und ging zum Mittagessen nach Hause.
     
    *
     
    Dorly Schupp: »Anlässlich von Spaziergängen kamen wir öfters oben beim Margarethenpark vorbei, den Park selbst haben wir nie durchquert. Einmal bei einem Spaziergang traten wir bei der gleichen Türe in den Park, wo ich in der tragischen Nacht eingetreten bin, und setzten uns auf die Bank, wo nachträglich die Leichen der beiden vorgefunden wurden. Wir verblieben damals wegen der Kälte nur etwa 20 Min. sitzen. Wann das war, kann ich nicht mehr genau sagen.«
     
    *
     
    Um halb zwei Uhr war der Gips hart. Der Mann mit der weißen Schürze hob die Totenmasken aus den Hohlformen, trug eine Grundierung auf und bemalte die Gesichter naturgetreu, insbesondere Einschusslöcher, Zahnschäden und Hautunreinheiten. Als er damit fertig war, goss er die Hohlformen aufs neue mit Gips aus, denn er hatte den Auftrag, die Totenmasken in dreifacher Ausführung anzufertigen: ein Paar für die Basler Polizei, eines für die deutschen und eines für die französischen Behörden.
     
    *
     
    »National-Zeitung«: »Bei dieser Gelegenheit mag noch eine andere, sehr interessante Einzelheit erzählt werden. Es ist nämlich nur einem unglaublichen Zufall zu verdanken, dass die Mörder jener Verkäuferin telefoniert und damit ihr Schicksal besiegelt haben!! Nämlich: Auf dem Bauplatz der Kunsteisbahn befinden sich ZWEI BAUHÜTTEN. In eine dieser beiden Hütten drangen die Räuber ein und fanden statt Brot nur ein – TELEFON. Sie waren damals wohl halb verhungert und am Ende
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