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Fast ein bisschen Frühling - Capus, A: Fast ein bisschen Frühling

Fast ein bisschen Frühling - Capus, A: Fast ein bisschen Frühling

Titel: Fast ein bisschen Frühling - Capus, A: Fast ein bisschen Frühling
Autoren: Alex Capus
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ist?«
    Darauf konnte Großvater nicht anders antworten als mit einem verächtlichen Schnauben. »Mal sehen. Vielleicht gehe ich doch trainieren. Ich frage mal den Benno, ob er mitkommt. Unseren Mittelstürmer.«
     
    *
     
    Eine Stunde später ist der Doppeldecker immer noch in der Luft. Bald wird ihm der Brennstoff ausgehen, dann muss er landen, wie vor zwei Stunden schon. Doch da! Dort laufen zwei Männer übers freie Feld! Jung sind die ganz bestimmt, und aufs Ganze gehen die auch, so wie die über die Wiese rennen, und der eine scheint etwas größer zu sein als der andere! Der Pilot dreht ab und fliegt zurück nach Laufen, nimmt seinen Notizblock aus dem Seitenfach und schreibt: »Die beiden Flüchtigen mit aller Sicherheit zwischen Laufen-Wahlen-Fehren gesehen!« Den Zettel steckt er in eine Ledertasche und wirft sie über dem Landeplatz ab. Dann kreist er über dem Städtchen und wartet, bis die Mannschaften in die Lastwagen gestiegen sind, und dann fliegt er voraus, der Polizeikonvoi hinterher. Dort vorne sind die Verdächtigen schon, der eine größer, der andere kleiner, haben mitten auf dem Feld kehrtgemacht und rennen wahrhaftig auf die Polizeilastwagen zu. Da wird gebremst, dass es raucht, die Polizeimänner steigen ab und werfen sich in den Straßengraben, die Gewehrschlösser klacken. Die zwei Verdächtigen verlangsamen ihren Lauf, bleiben stehen und mustern neugierig die hundert Gewehrläufe, denen sie ins Schussfeld geraten sind. Weiß dampft es aus den Mündern der Läufer, weiß dampft es aus den Mündern der Polizisten.
    »Und? Habt ihr die Räuber schon?« fragt der Kleinere.
    »Nein!« ruft ein namenloser Polizeimann.
    »Viel Glück!« ruft der Größere. Dann setzen sie sich wieder in Bewegung, und die Polizisten schauen hinterher. Die zwei Läufer tragen schwarze Nabholz-Trainer mit weißen Querstreifen über der Brust, und der größere knackt weithin hörbar mit den Kiefergelenken.
     
    *
     
    Im Restaurant »Rössli« in Laufen sitzt der junge Reporter von der »National-Zeitung« über seinem Notizblock und zieht Bilanz. »Die Polizeihunde haben komplett versagt, denn auf dem vereisten Boden ist es auch der feinsten Nase unmöglich, Witterung aufzunehmen. Wieder sind zwei Stunden vergangen, und nichts Neues ist zu vermelden. Wir rauchen alle wie die Türken, um nicht einzuschlafen. Es scheint fast, als wollte dieser große Tag in einer ebenso großen Enttäuschung enden, denn: Wenn wir ein Resümee über die Erfolge dieses Großkampftages ziehen, so müssen wir mit Betrübnis konstatieren, dass eigentlich jede sichere Spur der Mörder fehlt. Das auf der Landkarte relativ kleine eingekreiste Gebiet dehnt sich in Wirklichkeit unheimlich weit aus. Die berühmte Treibjagd durch die Wälder, von der man sich gestern noch einen entscheidenden Erfolg versprach, will und will nicht beginnen. Es scheint fast, dass die Einsatzleitung auf die Durchführung dieses Planes – weil aussichtslos – verzichtet. Es beginnt bereits zu dunkeln. Noch weitere zwei Stunden will die Polizei zuwarten – dann aber wird zur Heimfahrt geblasen.«

20
    Sonntagabend, zweiundzwanzig Uhr zehn. Dorly Schupp hat sich das ganze Wochenende zu Hause verschanzt. Die gnadenlose Kummermiene der Mutter war zwar schwer zu ertragen – die faltig zusammengepressten Lippen, die konzentrisch um die Augen vorstehenden Adern, das Schweigen, das Ticken der Wanduhr; noch schwerer zu ertragen gewesen wären aber die neugierigen Blicke der Nachbarn, das mitfühlende Geschwätz der Arbeitskolleginnen, das Getuschel von Unbekannten auf der Straße. Es ist Zeit, zu Bett zu gehen. Dorly steht im Nachthemd vor dem Waschtisch und kämmt ihr Haar, als das Läutewerk im Flur schellt. »Ich wusste sofort, dass das nur Sandweg und Velte sein konnten. Ich schickte meine Mutter zu den Nachbarn im zweiten Stock, damit sie die Polizei alarmiere, während ich in den dritten Stock zum Apparat der Familie Herzog stieg. Es war also meine bestimmte Absicht, die Polizei zu alarmieren. Meine Mutter vorgeschickt habe ich, um keine Zeit zu verlieren.«
     
    Abschrift des Telefongesprächs zwischen Viktoria Schupp und Kurt Sandweg, abgehört am Sonntag, 21. Januar 1934 , 22.13 Uhr, von Det.-Kpl. M. Werner:
    »Hallo, hier Viktoria Schupp.«
    »Ach ja, Sie sind es, Fräulein Dorly.«
    »Kurt! Das ist doch schrecklich, das ist furchtbar!«
    »Aber, Dorly, regen Sie sich nicht auf. Das ist nichts Furchtbares, das ist gar nichts.«
    »Du Blödian! Wo seid
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