Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Farmer, Philip José - Flusswelt 02

Farmer, Philip José - Flusswelt 02

Titel: Farmer, Philip José - Flusswelt 02
Autoren: Auf dem Zeitstrom
Vom Netzwerk:
– in diesem Moment jeder Mann und jede Frau an Bord die graue Hautfarbe einer Leiche angenommen hatte.
    Höher und höher stieg das Boot und wurde dabei dann und wann sanft gegen die Canyonwände getrieben. Im gleichen Augenblick, in dem Sam bereit war zu schwören, daß die Dreyrugr nun endlich den absoluten Höhepunkt erreicht hatte und gleich über die Canyonwände hinweggespült werden würde, hielt das Schiff in seiner Aufwärtsbewegung inne. Dann sank es langsam wieder in die Tiefe (oder zumindest erschien es ihm so), während die Wasser weiter in das Tal hineinflossen, es füllten und weiterjagten. Irgendwo knirschte etwas. Männer und Frauen schnappten heftig nach Luft. Hie und da erklang ein dumpfes Stöhnen. Wasser tröpfelte. Hinter der Schiffswandung erklang das laute Brüllen des Flusses, der den Canyon passierte, ihn füllte und weiter stromaufwärts trieb.
    Es war noch lange nicht vorbei. Sie würden noch einige Zeit warten müssen, bis jene riesigen Massen an Flüssigkeit, die der Meteorit mit seinem in die hunderttausend Tonnen gehenden Gewicht vor sich hergetrieben hatte, wieder in jene Löcher zurückgekrochen war, aus der sie stammte. Die Mannschaft des Wikingerschiffes zitterte, als sei sie von Eiswänden eingeschlossen, und dabei war die Nacht wärmer denn je zuvor. Und was ihnen noch auffiel: Zum ersten Mal seit zwanzig Jahren regnete es während der Dunkelperiode auf diesem Planeten nicht. Es schien einiges durcheinandergeraten zu sein.
    Bevor die Wasser erneut zuschlugen, fühlten sie, wie die Erde bebte und grollte. Dann erklang ein tiefes Brüllen und Zischen. Die Dreyrugr wurde noch einmal hochgehoben, hüpfte auf und nieder, schäumte gegen die Canyonwände und sank erneut. Diesmal beruhte sie den Grund nicht so hart; möglicherweise deswegen, dachte Sam, weil sich unter ihnen eine Schlammbank gebildet hatte.
    »Ich glaube nicht an Wunder«, flüsterte er, »aber dies hier sollte eigentlich eines erfordern. Sonst kommen wir hier nicht wieder lebend heraus.«
    Joe Miller, der sich schneller erholt hatte als die anderen, ging eine halbe Stunde hinaus, um die Lage auszukundschaften. Als er zurückkehrte, trug er einen nackten Mann auf der Schulter. Er lebte noch, hatte blondes Haar, blaugraue Augen und verbarg unter der Schmutzschicht, die ihn bedeckte, ein hübsches Gesicht. Der Mann sagte etwas auf deutsch zu Clemens und schaffte es sogar, als Joe ihn sanft absetzte, ein Lächeln zustande zu bringen.
    »Ich habe ihn in einem Gleiter gefunden«, erklärte Joe, »oder vielmehr in dem, waf von ihm übrig war. Da fwimmen eine Menge Leichen im Canyon herum. Waf follen wir mit diefem Kerl anfangen?«
    »Frieden schließen«, erwiderte Sam. »Seine Leute sind nicht mehr; dieses Gebiet ist völlig verwüstet.«
    Ihn fröstelte plötzlich. Der Gedanke an den zerschmetterten Körper Livys, die wirren Haare, die glücklicherweise die eine Hälfte ihres zerstörten Gesichts verhüllt hatten, und an das dunkle Auge, das ihn leblos angestarrt hatte, verursachte ihm immer stärker werdende körperliche Schmerzen. Er hätte am liebsten geweint, aber die Tatsache, daß er dazu nicht in der Lage war, erfüllte ihn mit Stolz. Wenn er jetzt seinen Gefühlen freien Lauf ließe, würde ihn das zerbrechen. Später, wenn er die Kraft aufbrachte, sich seinen Emotionen zu stellen, konnte er es immer noch tun. Sobald…
    Der blonde Mann setzte sich auf. Er zitterte heftig und sagte plötzlich in britischem Englisch: »Mir ist kalt.«
    Miller verschwand und brachte Trockenfisch, Bambusspitzen, Vollkornbrot und Käse. Die Wikinger achteten immer darauf, daß sie genügend Nahrungsvorräte besaßen, denn nur allzu oft gelangten sie in Gebiete, in denen man es ihnen verweigerte, die Nahrungsgrale zu benutzen.
    »Diefef blöde Fwein von Blutakft ift immer noch am Leben«, sagte Miller. »Er hat fich nur ein paar Rippen gebrochen, ein paar Kratfer abgekriegt und ein paar Fnittwunden in feinem Wanft. Aber feine grofe Fnautfe funktioniert beffer alf je fuvor. Hätteft du daf erwartet?«
    Clemens fing an zu weinen. Joe fiel wimmernd ein und putzte sich seine überdimensionale Nase.
    »Jetff«, sagte er nach einer Weile, »fühle ich mich beffer. Noch nie in meinem Leben habe ich solche Angft gehabt. Alf ich daf Waffer fah, daf wie eine Herde Mammuthf auf unf fujagte, da dachte ich nur noch: Auf Wiederfehen, Joe. Auf Wiederfehen, Fäm. Jetft wachft du irgendwo am Fluffufer wieder auf und feihft deinen alten Kumpel Fäm
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher