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Familienkonferenz in der Praxis

Familienkonferenz in der Praxis

Titel: Familienkonferenz in der Praxis
Autoren: Thomas Gordon
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Er sah, wie sehr sich meine Beziehung zu den Kindern verändert hatte.
    L : Wie veränderte sich die Beziehung?
    M : Oh, ich wurde viel gelassener. Er bemerkte, wie sich die Kommunikation veränderte – wirklich positiv veränderte. Außerdem bemerkte er, dass ich ihm seine eigenen Probleme überließ.
    L : Zum Beispiel?
    M : Oh, ein schönes Beispiel sind die Tischmanieren. Ich kümmerte mich nicht mehr um die Tischmanieren der Kinder. Das war nicht mein Problem. Es machte mir nichts aus, wie sie das Essen hineinstopften. Er aber war von einem sehr strengen Onkel erzogen worden, der das reinste Drama aus den Tischmanieren gemacht hatte. Früher hatte ich die Kinder bei Tisch zurechtgewiesen, weil ihn störte, was sie taten.
    L : Sie hatten sich also um eine geschlossene Front bemüht.
    M : Ich hatte die Verantwortung für ihn übernommen … Als dies Problem im Kurs zur Sprache kam, dachte ich: »Warum tue ich das? Warum meckere ich über etwas, was mich nicht stört, sondern was eigentlich sein Problem ist …?« Ich hatte immer geglaubt, er sei großzügig und ich nervös. Dann bemerkte ich aber, dass er einen Großteil der Probleme besaß, nicht ich. Daraufhin hackte ich nicht mehr so viel auf
den Kindern herum. Und ich stellte fest, dass ich dabei gar nicht so schlecht fuhr. Ich hatte bislang das Empfinden gehabt, die »Lästige« in der Familie zu sein. Jetzt fiel der Druck von mir ab, während er gezwungen war, sich mit den Dingen zu beschäftigen, die ihm nicht passten … Ich bemerkte auch, dass die Kinder, wenn sie mit mir allein waren, auf die Dinge verzichteten, die sie taten, wenn er anwesend war. Es geschah also nur, um ihn zu ärgern …
    L : Wie lösten Sie das Problem?
    M : Nun, es stellte sich heraus, dass meinen Mann die Tischmanieren der Kinder nur störten, wenn wir zum Essen in ein Restaurant gingen. Er mochte es nicht, wenn sie dann mit den Händen aßen oder in anderer Hinsicht gegen die guten Sitten verstießen. So einigten wir uns darauf, dass er die Kinder zu Hause in Frieden lassen würde. Dafür beschlossen wir, an einem Abend in der Woche im Esszimmer mit Tischdecke und Kerzen zu essen. Die Kinder sollten sich ihrer besten Manieren befleißigen. Auf diese Weise sollten sie so essen lernen, wie ihr Vater es von ihnen in der Öffentlichkeit erwartete. Ich brauchte mich die übrige Zeit nicht um sie zu kümmern, trotzdem würden sie die Unterweisung erhalten, die er für notwendig hielt.
    L : Funktionierte das?
    M : Großartig. Außerdem machte es Spaß. Wissen Sie, wenn der Tisch schön gedeckt wird und Kerzen brennen, reißt sich jeder ein bisschen zusammen.
    Das Prinzip des Problembesitzes
    Ein entscheidender Begriff der ›Familienkonferenz‹ ist das Prinzip des Problembesitzes. Seine Bedeutung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Aus den Interviews mit den Eltern geht hervor, dass die falsche Anwendung der›Familienkonferenz‹ häufig daher rührt, dass die Eltern dieses Prinzip missverstehen. Der Begriff ging in die ›Familienkonferenz‹ ein, weil viele Eltern den Fehler machen, die Probleme
ihrer Kinder an deren Stelle lösen zu wollen, statt sie dazu zu bewegen, diese selbst zu lösen. In den Interviews hörten wir viele Äußerungen wie die folgende:

    »Wissen Sie, sie hatten die Gewohnheit angenommen, mit allen ihren Problemen zu mir zu kommen. Da hieß es z. B.: ›Mir ist ein Zehncentstück in einen Kanaldeckel gefallen, was soll ich jetzt tun?‹ Ich musste einfach alles für sie erledigen, weil ich mir ein entsprechendes Image geschaffen hatte. Mama war zuständig für das Lösen von Problemen, bis sie davon so frustriert war, dass ihr die Rolle zum Halse heraushing. Ich wusste nicht, wie ich sie loswerden sollte. Ich konnte einfach nicht sagen: ›Lasst mich um Gottes willen in Ruhe. Ich bin müde. Ich habe Kopfschmerzen. Haut ab und löst eure Probleme selbst.‹ Sie wurden ja nicht mit ihnen fertig.«
    »Das größte Erlebnis mit der ›Familienkonferenz‹ war für mich, dass ich zu entscheiden lernte, wer ein bestimmtes Problem besitzt. Es war wirklich von der allergrößten Bedeutung. Mir fiel es wie Schuppen von den Augen, dass Frankie Probleme hatte und dass ich sie nicht in Besitz zu nehmen brauchte … Und ich hatte sie jahrelang besessen.«
    »Bevor ich am Kurs teilnahm, ließ ich sie ihre Probleme nicht selbst lösen. Ich versuchte, ihr irgendwie zu helfen. Heute hat sie aber – so glaube ich – ihre Fähigkeit erheblich verbessert, mit ihren
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