Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Familienbande

Familienbande

Titel: Familienbande
Autoren: Tom Sharpe
Vom Netzwerk:
keinen Durchsuchungsbefehl, um das Haus eines englischen Staatsbürgers, ob Palast oder Hütte, zu jeder Tages- und Nachtzeit betreten und durchsuchen zu können, und ihre Befugnis war, anders als die seinige, nicht der Kontrolle durch Richter, Gerichte oder irgendwelche anderen Institutionen der Rechtsordnung unterworfen, die die angeblichen Freiheiten eines Engländers schützten. Die Zollbeamten waren selbst das Gesetz, und als solches für Mr. Mirkins Zwecke wie geschaffen und ein Quell des Neides. Er begab sich in das Büro des leitenden Zollbeamten für die Mittelmarken, den er neugierig machte und zur Mithilfe animierte.
»Am besten wäre es, wenn wir nachts loszögen«, sagte er, »und den Überraschungseffekt ausnutzten.«
Der Oberzöllner hatte Einwände. »Der Zoll ist in dieser Gegend nicht sehr beliebt«, gab er zu bedenken. »Ich würde einer offeneren und orthodoxeren Vorgehensweise den Vorzug geben.«
Mr. Mirkin deutete auf seine eingegipsten Beine. »Das ist mir passiert, als ich orthodox und offen vorging«, sagte er. »Wenn Sie auf meinen Rat hören, handeln Sie schnell und nachts. Da draußen gibt es keinen, der Ihrer Aussage widerspräche, daß Sie tagsüber kamen.«
»Nur Mr. Flawse, seine Frau und sämtliche Nachbarn«, sagte der Zöllner hartnäckig. Mr. Mirkin kicherte.
»Sie haben mir nicht zugehört«, sagte er zu dem Zollbeamten. »Das Haus ist zehn Kilometer vom nächsten Nachbarn entfernt und wird nur von Mr. und Mrs. Flawse bewohnt. Wenn Sie also sechs Mann nehmen ...«
Der Zöllner erlag Mr. Mirkins Überredungskünsten, zudem zeigte er sich von dessen Bereitschaft beeindruckt, in einem Rollstuhl an dem Unternehmen teilzunehmen. Sein Vorschlag, das Tal zu umgehen und sich über den Damm zu nähern, schien ebenfalls Hand und Fuß zu haben.
»Zuerst informiere ich sie von der Notwendigkeit, ihre Bücher zu überprüfen«, sagte er, »und nur wenn sie sich weigern, werde ich gemäß der mir von der Regierung verliehenen Amtsgewalt vorgehen.«
Und etliche Wochen verstrichen, in denen der Zoll ebenso viele Briefe abschickte, ohne eine Antwort zu erhalten. Angesichts dieser eklatanten Mißachtung seines Amtes sowie der Zollbestimmungen beschloß der oberste Zöllner zu handeln. Während all dieser Wochen schlossen Lockhart und Mr. Dodd ihre Vorbereitungen ab. Sie schafften noch mehr Ausrüstung ins Tal und auf die Hochflächen in der Umgebung des Herrenhauses. Nachdem sie zahlreiche Kassettenrecorder und überaus leistungsstarke Verstärker in die Whiskywand eingebaut hatten, warteten sie die nächsten Ereignisse ab.
Diese überstürzten sich, als die Herren Bullstrode und Dr. Magrew eintrafen; der Anwalt, um Lockhart mitzuteilen, er habe von Mr. Wieman erfahren, daß der Zoll in dieser Nacht eine Razzia im Haus plane, und Dr. Magrew, um zu bestätigen, daß Jessica schwanger war. Keiner von beiden rechnete mit dem, was in dieser Nacht geschehen sollte, als sie sich nach einem opulenten Abendessen in ihren alten Zimmern schlafen legten. Draußen beschien der Vollmond das Herrenhaus, die Hochebene, die Hügel, mehrere hundert Schafe, hundert Ochsen, den Stausee, Damm und Graben sowie ein halbes Dutzend Zollbeamte samt Mr. Mirkin auf Krücken und Mr. Wieman zu seiner Unterstützung.
     

Kapitel 21
     
    Außerdem konnte man sich einigermaßen sicher sein, daß die Zollbeamten nicht den blassesten Schimmer von dem hatten, was auf sie zukam. Mr. Mirkins Erfahrungen dienten ihnen zwar als Warnung, doch als sie sich über den Staudamm schlichen, schien unter dem hell leuchtenden Mond alles friedlich und still zu sein. Nach Überquerung des Dammes betraten sie den zum Hintereingang des Herrenhauses führenden Weg. Um sie her grasten Schafe und Ochsen, und alles war still und dunkel. Das einzige Licht drang aus Perkins Pavillon, wo Mr. Dodd saß und ihren Anmarsch beobachtete, doch dieses durch die Buntglasscheiben des kleinen Gebäudes gebrochene Licht wirkte irgendwie attraktiv und anheimelnd.
Was als nächstes geschah, war alles anderes als das. Sie waren noch hundert Meter vom Haus entfernt, als um sie her ein Sperrfeuer einsetzte, wie es im Buche stand; und dazu ein Bombardement. Tausend Lautsprecher bombardierten sie akustisch mit dem Wummern von Granaten, mit schnellem Maschinengewehrfeuer, Angstgeschrei, Bomben, noch mehr Schreien, noch größeren Granaten und einem dermaßen hochfrequenten Pfeifen, daß etliche Schafe auf der Stelle verrückt wurden. Acht Männern gleich, die wie weiland
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher