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Familienalbum

Familienalbum

Titel: Familienalbum
Autoren: P Lively
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Welt, anscheinend nicht einmal Katholiken, und was für ein seltsames, ungleiches Paar, er so reserviert, bringt kaum ein Hallo über die Lippen, sie dagegen ständig am Lächeln und Plappern. Heute konzentriert sich das Interesse auf die Bewohner, dieses Trio, das außer in Sachen Gastronomie so wenig mit der Zeit geht, und was spielt eigentlich diese Ingrid für eine Rolle? Und dieses Haus erst! Die meisten Nachbarn kennen den Wert ihrer Immobilie ganz genau; entweder sitzen sie auf einer Goldgrube oder haben sich für den Kauf einer solchen bis über beide Ohren verschuldet. Ihnen fällt natürlich auf, dass Allersmead bei Weitem nicht den heutigen Standards entspricht. Das Dach ist sichtlich reparaturbedürftig, die Regenrinnen hängen durch, die Farbe blättert ab, neben dem Eingang verläuft im Mauerwerk ein gezackter Riss nach oben. Deutet das auf Gleichgültigkeit hin oder auf mangelnde Mittel?
    Ingrid hat vor ein paar Jahren einen Computer angeschafft; nachdem sie Alison erklärt hatte, wie E-Mails funktionieren, erkannte Alison deren Potenzial sofort: So könnten sie mit allen Verbindung halten. Dies in die Tat umzusetzen, bleibt allerdings Ingrid überlassen; Alisons halbherziger Versuch, sich PC -Kenntnisse anzueignen, scheitert rasch, Charles sieht sich den Kasten nur einmal an und wendet sich ab. Der Computer steht im Fernsehzimmer, das für Allersmead damit zur Keimzelle des einundzwanzigsten Jahrhunderts wird. Ingrid liest täglich die eingetroffenen E-Mails und versendet, was Alison aufgesetzt hat. Niemand ist mehr unerreichbar, Allersmead streckt seine Tentakeln rund um den Globus aus. Außerdem hat Ingrid eine Website für die Kochkurse in Allersmead ins Netz gestellt, die mehr Kunden bringt, als Alison bewältigen kann. Die Warteliste ist erfreulich lang, und wer schließlich an die Spitze rückt, brennt umso mehr darauf, in den Genuss des so gefragten Kurses zu kommen. Ingrid meint, Alison solle die Gebühr erhöhen.
    Als die Kinder noch da waren, wollte sich Alison nie mit der Zeit beschäftigen, wenn sie einmal ausgezogen wären. Oh, sie wusste, diese Zeit würde kommen – aber sie setzte sich nie damit auseinander, was das bedeutete, ließ nie die Vorstellung eines leeren Hauses auf sich wirken, lauschte nie der Stille. Die Kinder gingen natürlich nach und nach fort, und so kam auch die Stille nur nach und nach, immer wieder kehrte jemand zurück, und jetzt ist Paul wieder da und die Stille nicht mehr so lastend. Alison hat sich daran gewöhnt. Man kann sich an vieles gewöhnen, wie sie schon früh gelernt hat.
    Sie ist sehr zufrieden damit, wie Allersmead sich neu erfunden hat – es macht sich nun auf andere Weise nützlich, durch Ingrids Gartenerzeugnisse, durch die Kochkurse. Früher hat es ein Kind nach dem anderen ausgebrütet, jetzt fließt seine Kreativität in neuen Bahnen. Aber noch immer ist es eine Kultstätte dessen, was wirklich wichtig ist: der Kunst, ein Zuhause zu schaffen. Alison bedauert, dass ihre Ansichten dazu im Mütterkurs so wenig Widerhall gefunden haben; sie hätte das Thema gern weiter ausgesponnen und den Frauen – natürlich rein theoretisch – erklärt, wie diese unvermeidlichen kleinen Pannen im Familienleben zu überwinden sind: durch Entschlossenheit und praktisches Denken. Aber die jungen Mütter interessierten sich nur für Dinge wie Windelausschlag und schwallartiges Erbrechen. Der Mütterkurs wird definitiv gestrichen, aber Alison plant schon einen neuen Kurs zum Thema Einkochen, Marmeladen und Konfekt.
    Im Haus stehen nun tatsächlich einige Zimmer leer. Das Wohnzimmer wird selten benutzt; das Fernsehzimmer ist ja überhaupt viel komfortabler. Ingrid hat eines der Mansardenzimmer mit ihrer Nähmaschine belegt. Auch im Stockwerk darunter gibt es leere Zimmer, Paul allerdings ist, wo er immer war, und Charles ist schon seit einiger Zeit in Rogers altes Zimmer übergesiedelt. Dieses eheliche Himmelbett ist längst zur Farce geworden. Nach Clares Geburt wurde Alison für Sex ziemlich unzugänglich; alles in allem sollte jetzt lieber Schluss sein mit Kindern.
    *
    Und die Vorstellung, die Pille zu nehmen, war mir immer zuwider; deshalb sind wir lieber auf Nummer sicher gegangen. Charles ist sowieso oft ins Gästezimmer abgewandert, wenn er lesen und ich das Licht aushaben wollte, deshalb machte es kaum einen Unterschied.
    Wenn sie jetzt zu Besuch kommen, bin ich immer verblüfft – ich habe vergessen, wie sie jetzt sind, und dann steht dieser Erwachsene
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