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Falsch

Falsch

Titel: Falsch
Autoren: Gerd Schilddorfer
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eingeschlagen, fest verschnürt.
    Er richtete sich wieder auf und streifte mit fahrigen Bewegungen die Erde von dem kleinen Paket, bevor er vorsichtig die Bindfäden löste. Mit jedem geöffneten Knoten kam er der Entscheidung einen Schritt näher. Seine Hände zitterten, als er langsam und bedächtig das Papier entfernte und sich eine kleine, fast schwarze kubische Schatulle aus der Verpackung schälte.
    Ein Geräusch hinter ihm ließ ihn herumfahren. Mit schiefem Grinsen und irrem Blick stürzte sich die Eingeborene auf ihn, flog ihm mit ausgestreckten Händen entgegen, die wie Krallen eines Raubvogels sein Gesicht suchten. Sie prallte auf ihn, bevor er ihr ausweichen konnte, riss ihn um, hinunter auf den rutschigen Boden. Er spürte einen Stich in seinem rechten Knie und stöhnte auf.
    Die Schatulle kullerte wie ein Würfel davon, blieb schließlich auf dem löchrigen Teppich liegen, verfolgt von ihrem gierigen Blick. Sie hatte die Hände um seinen Hals gelegt und drückte zu, so fest sie nur konnte. Ihren Kopf jedoch hatte sie abgewandt, um das schwarze Kästchen nicht aus den Augen zu verlieren, und das war seine Chance. Mit einer Hand griff er unter das Bett, während es um ihn immer schwärzer wurde, tastete hektisch herum, bis er endlich gefunden hatte, was er suchte. Mit einer einzigen wütenden Bewegung riss er die Machete aus der Scheide, während sich die Hände des Mädchens noch fester um seinen Hals zu krampfen schienen.
    Er keuchte schwer unter ihrem Gewicht. Der triumphierende Blick ihrer dunklen Augen sprach Bände: Ich bin jünger, stärker und zu allem entschlossen. Dann jedoch sah sie die Machete aufblitzen und schrie vor Schreck auf. Es war das erste Mal, dass er ihre Stimme hörte. Sie war schrill und spitz und klang wie eine Luftschutzsirene.
    Sein erster halbherzig geführter Schlag traf sie seitlich. Die scharfe Klinge glitt vom Schädelknochen ab und trennte ihr glatt das Ohr und einen Teil der Wange vom Kopf. Ihr Griff um seinen Hals löste sich, und ein unmenschlicher Schrei hallte durch die Hütte und hinaus über die kleine Lichtung.
    Er versuchte krächzend, tief Luft zu holen und aufzustehen, aber seine Beine versagten ihren Dienst. Sie war zurückgetaumelt, die Hände an den Kopf gepresst. Zwischen ihren Fingern schoss Blut hervor, ein dunkelrotes Geflecht aus purpurnen Nebenströmen, die sich auf ihrem Arm zu einem Fluss vereinten, der dann von ihrem Ellenbogen auf den Boden rann. Ihr hasserfüllter Blick ließ ihn keinen Moment aus den Augen, während sie sich vor Schmerzen krümmte.
    Seine Hand mit den großen braunen Altersflecken öffnete und schloss sich um den Griff der Machete. Er spürte das Adrenalin durch seinen Körper jagen. Bilder von damals blitzten vor seinen Augen auf, schwarzweiß, ausgeblichen, unscharf und unwirklich. Wie ein Rausch setzte das Hochgefühl ein.
    »Du miese kleine Ratte«, presste er hervor, »du Ausgeburt der Hölle. Ich schicke dich dahin zurück, wo du hergekommen bist.«
    Täuschte er sich, oder schien sie auf etwas zu warten?
    Er wischte den Gedanken beiseite und stützte sich mit einer Hand auf dem Bett auf, wuchtete ächzend den alten, gebrechlichen Körper hoch.
    Wo war die Schatulle?
    Da war die Eingeborene auch schon wieder über ihm, rasend vor Schmerzen und Wut. Sie riss ihn mit sich, und beide fielen aufs Bett, er auf den Rücken und sie auf ihn, wie ein Liebespaar in einer grotesken Umarmung. Blut und Speichel tropften auf sein Gesicht, während sich ihre Hände erneut wie ein Schraubstock um seinen Hals legten. Zugleich rammte sie ihm ihr Knie in den Unterkörper, immer und immer wieder, bis er Sterne vor den Augen sah und die Schmerzwellen seinen Verstand benebelten.
    Mit letzter Kraft stieß er ihr die Machete in die Seite, drückte nach und ließ erst ab, als die Spitze des langen Messers auf der anderen Seite aus ihrem Körper drang. Sie krümmte sich stöhnend und erschlaffte mit einem Mal, sackte auf ihn herunter, schwer und regungslos.
    Die feuchte Hitze und ihr Körper schienen ihn zu erdrücken wie eine Zwangsjacke. Erschöpft ließ er seinen Kopf auf die dünne Decke fallen und lauschte. Außer dem Gurren der Tauben war da nur sein schwerer Atem.
    In der Ferne schrie ein Tier in der heranbrechenden Nacht.
    Er wälzte mühsam ihren Körper von seinem und zog dabei die Machete heraus. Ein Schwall Blut tränkte ihr billiges Kleid, das hochgerutscht war, und er sah einen fleckigen, großen Slip, der ehemals einmal weiß gewesen
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