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Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)

Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)

Titel: Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
Autoren: Peter Ransley
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andere Arbeit zu finden, und Ihr könnt einen anderen Lehrjungen aufnehmen.«
    »Das ist gegen die Regeln«, murmelte er.
    »Wenn jeder sich an die Regeln gehalten hätte, Master, hätten wir den Krieg niemals gewonnen. Es gab nicht einmal halb so viele freigesprochene Waffenmeister und Hufschmiede, wie nötig gewesen wären, um alle Waffen anzufertigen, die wir brauchten.«
    Er sah immer noch besorgt aus, als er sagte: »Nun denn, wenn das die Welt von heute ist … Aber ich weiß nicht, was ich ihm sagen soll.«
    »Das übernehme ich. Wir sind immer gut miteinander ausgekommen, auf mich wird er hören.«

    Beschwingt von diesem, wie ich hoffte erfolgreicheren diplomatischen Vorstoß, machte ich mich auf die Suche nach Mr Tooley, um endlich mit ihm über Liz’ Taufe zu sprechen. Er war in einem Raum auf der anderen Seite des Korridors beschäftigt, und ich wartete in dem kleinen Vorraum. Ein Schrank enthielt, wie ich mich entsann, Bücher, mit denen ich mich vielleicht beschäftigen könnte. Er war abgesperrt, aber ich wusste, wo der Schlüssel lag, da ich mir früher Bücher ausgeliehen hatte, um mich im Lesen zu üben. Als ich den Schrank öffnete, fielen mir eine Reihe von Dingen entgegen, die einst in die Kirche gehört hatten.
    Da waren alte, zerfledderte Ausgaben vom Book of Common Prayer, dem Gebetbuch der anglikanischen Kirche, das die Presbyterianer verbannt hatten, Kerzenhalter aus Messing mit Grünspanflecken, das Bild von der Dreifaltigkeit, das ich in der Kirche vermisst hatte, geborsten und rissig, sowie ein zusammengerolltes Chorhemd aus Leinen. Alles, was einst Licht und Farbe in die Kirche gebracht hatte, lag hier begraben. Ein unsägliches Gefühl der Traurigkeit überkam mich, als ich das Gebetbuch öffnete und der modrige Geruch die Erinnerung an das Licht und den Trost der alten Kirche wachrief.
    In der Nähe wurde eine Tür geöffnet, und ein kalter Schauder durchlief mich, als ich die unverkennbare Stimme des Mannes vernahm, der mich als Kind so oft geschlagen hatte – zum Wohle meiner Seele, wie er behauptete. Ich legte das Gebetbuch auf einen Stuhl und ging zur Tür, um auch sie zu öffnen, damit die Männer wussten, dass ich dort war. Doch sie waren zu sehr in ihren Streit vertieft, um mich zu bemerken.
    George stand auf der Türschwelle zu Mr Tooleys Studierzimmer und kehrte mir den Rücken zu. Er war fast kahl, und der Schädel glänzte, als sei er poliert.
    »Sonntag im Gottesdienst müsst Ihr Nehemiah einen Ketzer nennen, Mr Tooley.«
    Früher hatte George Mr Tooley stets mit schmeichlerischem Respekt angesprochen. Jetzt staunte ich über den tyrannischen Klang seiner Stimme. Noch mehr erstaunte mich, dass Mr Tooley es hinnahm, obwohl sein Gesicht gerötet war und er sichtlich Mühe hatte, ruhig zu bleiben. »Ich werde noch einmal mit Mr Black sprechen.«
    »Er ist verstockt. Halsstarrig. Wie heißt es doch bei den Sprüchen, Mr Tooley: ›Mit der Not kommt die Schande für den, der nicht auf Warnungen hört.‹«
    Die Jahre fielen von mir ab. Es war, als würde er wieder zu mir, dem Lehrjungen, sprechen. Meine Nägel bohrten sich in die Handflächen, meine Wangen brannten.
    »Wie der Essig den Zähnen und der Rauch den Augen tut, so tut der Faule denen, die ihn senden«, erwiderte Mr Tooley. »Wie ebenfalls in den Sprüchen zu lesen ist.«
    Ich klatschte im Stillen Beifall. Als George Anstalten machte zu gehen, stellte ich fest, dass ich die Schranktür weit offen gelassen hatte. Mr Tooleys altes Chorhemd lag auf dem Boden. Hastig stopfte ich alles wieder zurück in den Schrank, schloss die Tür ab und versteckte den Schlüssel. Währenddessen feuerte George seinen letzten Schuss ab. Er klang eher bekümmert als wütend.
    »Die Warnung dient nicht allein den Schafen, Mr Tooley, sondern auch dem Hirten.«
    »Wagt es nicht, so mit mir zu sprechen!«
    Mr Tooley war bleich vor Wut. George, als er sah, dass seine Drohung ins Schwarze getroffen hatte, drehte noch einmal das Messer in der Wunde. »Oh, nicht ich, ein demütiger Sünder, sagte das. Ich bin nur der armselige Bote des Ältestenrates, der Kraft der Verordnung von 1646 …«
    Verordnung! Genauso gut wie seine Sprüche kannte George die Verordnungen, in denen die skandalösen Vergehen der Leugner des wahren protestantischen Glaubens aufgelistet waren. Mr Tooley machte einen Schritt auf George zu. Er hatte die Faust geballt, und in einer Ader auf seiner Stirn pochte das Blut. George rührte sich nicht von der Stelle.
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