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Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Titel: Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken
Autoren: Rainer M. Schröder
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Gewitter geschickt hat.«
    »… und Er ist es, der Reue annimmt von seinen Dienern und
    Sünden vergisst«, betete Sadik mit geschlossenen Augen, »und Er weiß, was ihr tut …«
    Tobias gab es auf. Es nutzte nichts, ihn ansprechen zu wollen. Die Gebete waren wie eine Mauer, hinter der Sadik Zuflucht gefunden hatte und die ihn vor seinem Entsetzen schützte.
    »Na, besser du betest dir die Lippen wund, als dass du hier den Derwisch der Lüfte spielst und durchdrehst«, murmelte Tobias in dem Versuch, der Situation eine erfreuliche Seite abzugewinnen. Doch er wünschte, er hätte mit Sadik reden können. Vernünftig. Auch er hätte eine Aufmunterung jetzt gut vertragen können. Doch er musste mit der Situation allein fertig werden und sich eben selbst aufmuntern.
    Wie sah denn ihre Lage überhaupt aus? Leicht bis stark umnebelt, so viel war mal sicher. Und wenn er sich nicht täuschte, hatte der Wind erneut gedreht. Doch es gab auch Positives festzustellen. Er hatte die Reißleine nicht zu ziehen brauchen. Das Gewitter stellte keine Bedrohung mehr dar und der Donner klang aus der Ferne bald nur noch wie das missmutige Grollen eines Raubtieres, dem eine verlockende Beute entgangen war.
    Fortuna hatte ihre schützende Hand über sie gehalten. Hoffentlich leistete sie ihnen noch recht lange Gesellschaft und zeigte sich nicht von ihrer launischen Seite!
    Tobias zog den Umhang enger um seine Schultern. Allmählich wurde es ihm bis in die Knochen kalt. Viel Bewegungsspielraum bot so eine Gondel nicht. Er musste schon auf der Stelle treten, um warme Füße zu bekommen. Aber auch nicht zu fest. Wer wusste, wie viel der Boden aushielt?
    Wie lange waren sie schon in der Luft? Wie dumm, dass er vergessen hatte, eine Uhr mitzunehmen! Eine Stunde? Anderthalb? Er wusste es nicht zu sagen. Fest stand für ihn nur, dass der Falke seinen zügigen Aufstieg beendet hatte. Das Gas begann sich abzukühlen, der Auftrieb reichte gerade noch aus, um die Höhe zu halten.
    »… und Er ist es, der Wasser niedersendet, aus der Wolke. Damit bringen wir alle Art Wachstum hervor, Grünes, aus dem gereihtes Korn in Ähren sprießt. Und aus der Dattelpalme niederhängende Datteltrauben. Und Gärten mit Trauben, die Olive und den Granatapfel, deren Früchte einander ähnlich und unähnlich sind. Betrachtet ihre Frucht, wenn sie Früchte tragen, und wie sie reifen. Wahrlich, hierin sind Zeichen für Leute, die glauben …«
    ›Sechste Sure, ungefähr in der Mitte, um Vers hundert‹, fuhr es
    Tobias durch den Kopf, während er die Geschwindigkeit des Ballons zu schätzen versuchte. Es wehte ein frischer Wind. Eine Flugstrecke von dreißig Kilometern pro Stunde war mindestens drin.
    Dann begann der Ballon zu sinken. Das nebelige Grau um sie herum riss auf. Die Wolken gaben sie frei und endlich konnte der Blick wieder in die nächtliche Weite schweifen.
    Tobias zog seine Karten zu Rate, als er den Kirchturm eines Dorfes und gleich dahinter zwei weitere Ansiedlungen sehen konnte. Doch es brachte nichts. Der Weg, den der Falke innerhalb der letzten beiden Stunden zurückgelegt hatte, ließ sich nicht mehr rekonstruieren. Er vermochte noch nicht einmal zu sagen, ob sie sich jetzt auf der rechtsrheinischen oder linksrheinischen Seite befanden. Der Kompass sagte ihm nur, dass sie sich mit guter Fahrt nach Südsüdost bewegten. Die Sinkgeschwindigkeit war nicht sehr stark. Kein Grund, beunruhigt zu sein. Noch trug die Gondel alle Ballastsäcke. Sie würden sich also noch recht lange in der Luft halten können. Und je weiter der Ballon sie trug, desto geringer fielen Zeppenfelds Chancen aus, sie aufzuspüren.
    Etwa eine Viertelstunde später schnitt Tobias den ersten Sack auf. Der Sand rann in einem breiten Strom aus dem langen Schlitz und verwehte in einem weiten Fächer, der sich in der Nacht verlor.
    Der Ballon stieg wieder auf.
    Tobias fand Gefallen an dem Spiel. Er vergaß für einige Zeit alle düsteren Gedanken und Befürchtungen und konzentrierte sich ganz auf das Steigen und Sinken des Falken. Auf eine Art war diese völlige Beschränkung auf die Flugbewegungen des Ballons der Trance nicht unähnlich, in die Sadik mit seinem Gebet gesunken war.
    »… und unter Seinen Zeichen ist dies, dass Himmel und Erde stehen fest auf Seinen Befehl …«
    Tobias nahm Sadiks monotones Rezitieren nicht mehr bewusst wahr. Die Zeit war gekommen, sich mit dem Gedanken an die Landung vertraut zu machen. Zwölf gefüllte Säcke hatten an der Gondel gehangen, drei an
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